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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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willst hinunterklettern?«
    »Hast du eine bessere Idee?« gab Skar zurück. Er stand auf, wischte sich die Hände an einem Zipfel seines Mantels ab und deutete mit einer Kopfbewegung auf Bernecs Fackel. »Mach Licht«, verlangte er.
    Bernec zögerte. »Wenn dort unten irgend etwas ist —«
    »Hat es uns sowieso längst entdeckt«, unterbrach ihn Skar ungeduldig. »Nun mach schon. Ich klettere nicht gerne irgendwo hinunter, ohne zu wissen, was mich erwartet.«
    Bernec schien nicht gerade begeistert von Skars Vorschlag zu sein. Trotzdem senkte er nach sekundenlangem Zögern langsam den Mantel und hob die Fackel empor. Der flackernde Lichtschein verlor sich in der gewaltigen Weite der Höhle, aber das Wenige, was sie sahen, ließ ihnen allen einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Der gigantische unterirdische Dom war nicht leer, sondern von etwas erfüllt, das Skar im ersten Augenblick an ein gewaltiges schleimiges Spinnennetz denken ließ. Wie ein bizarres Wurzelgeflecht zogen sich unzählige, schwarzglänzende 'Linien zwischen dem Boden und der unsichtbaren Decke dahin, armdicke, schimmernde Taue, an denen eine ölig glänzende Flüssigkeit herablief und die Knoten und Verdickungen, Kreuzungspunkte und pulsierende, schleimige Schnittstellen bildete. Erneut drängte sich Skar der Vergleich mit irgend etwas Lebendigem, Organischem auf, fast als bewegten sie sich nicht durch ein System unterirdischer Höhlen und Gänge, sondern durch das Innere eines gigantischen, unbegreiflichen Lebewesens. Das da vor ihnen mochte sein Blut sein: schwarzes, zähflüssiges Blut, das von der Decke getropft und auf seinem Weg zum Boden zu schleimigen Fäden und dünnen, halbdurchsichtigen Schleiern erstarrt war. Er schüttelte sich, drängte die Vorstellung mit Gewalt zurück und versuchte, mehr Einzelheiten zu erkennen. Trotz des Lichtes war der Boden immer noch unsichtbar, und falls sich außer diesen schleimigen Gebilden noch etwas in der Höhle aufhalten sollte, so verbarg es sich außerhalb des Lichtkreises.
    »Das Seil«, befahl er leise. Einer der Männer drückte
ihm
das Ende einer dünnen, aus Lederschnüren geflochtenen Leine in die Hand, ein zweiter Krieger entzündete eine zusätzliche Fackel und warf sie wortlos in die Tiefe. Skar beugte sich neugierig vor und verfolgte ihren Sturz. Sie überschlug sich ein paarmal, zeichnete ein funkensprühendes Feuerrad in die Luft und prallte tief unter ihnen auf den Boden.
    Die Flamme drohte für einen Moment zu erlöschen, fand dann neue Nahrung und loderte hell auf.
    »Der Boden sieht stabil aus«, murmelte Bernec. »Jedenfalls hier.« Er trat zurück, winkte zwei seiner Krieger zu sich und nahm den Bogen vom Rücken. »Wir geben dir Deckung«, sagte er nervös.
    Skar griff ohne ein weiteres Wort nach dem Seil, schwang sich über die Kante und stieg, gehalten von Del und drei weiteren Cearnern, rasch in die Tiefe.
    Der Abstieg dauerte nur wenige Augenblicke, aber Skar schien es, als klettere er stundenlang an der senkrecht abfallenden Wand hinab. Er bewegte sich durch einen Bereich vollkommener, totaler Finsternis. Das Licht von Bernecs Fackel verlor sich über ihm in der Weite der unterirdischen Kathedrale, und die winzige, flakkernde Halbkugel aus Licht unter
ihm
schien Meilen entfernt, ein 'unendlich kleiner, verloren wirkender Hort des Lebens und der Helligkeit, gegen dessen Grenzen die Dunkelheit wie eine niemals ermüdende Woge anrannte. Das Seil schnitt schmerzhaft in seine Handflächen.
    Nach einer Ewigkeit erreichte er den Boden, ließ das Seil los und wich mit einem raschen Schritt bis zur Wand zurück, das Schwert abwehrbereit erhoben. Aber es gab kein Gefahr, zumindest keine, gegen die er hätte kämpfen können. Die Höhle war, abgesehen vom leisen Knistern der Fackel und dem dumpfen Dröhnen seines eigenen Herzschlages, vollkommen still, als würde die Dunkelheit sämtliche Geräusche absorbieren. Er bückte sich, hob die Fackel auf und machte einen zögernden Schritt. Der Boden federte unter seinem Gewicht, und hier und da schimmerten flache, ölig glänzende Pfützen im Licht der Flammen. Er näherte sich einem der schwarzen Stränge, betrachtete
ihn
einen Moment lang und berührte
ihn
zögernd mit der Schwertspitze. Er war weich und nachgiebig, aber trotzdem zäh, so daß selbst die rasiermesserscharfe Klinge aus Sternenstahl die schwarzschimmernde Oberfläche nicht zu ritzen imstande war, und als er das Schwert zurückzog, vibrierte der Boden sichtlich, als

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