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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unseren Lohn hat zahlen können. Wir haben Könige gestürzt und andere auf den Thron gehoben…«
    »Ihr hattet einen Ehrenkodex«, beharrte Kama. »Ihr seid gewesen mehr als ein paar Strauchbanditen, die nur zufällig konnten kämpfen besser als alle anderen. Ihr seid gewesen ein Garant für Stabilität. Ihr habt geschnitten faule Stellen aus dem Fleisch — das war alles.«
    »Das ist eine sehr freie Interpretation«, sagte Skar. »Es mag sein, dass es in gewisser Weise sogar zutraf. Aber es hat auch immer Satai gegeben, die gegen den Kodex verstoßen haben — oder schlimmer noch, die die Interessen Enwors verraten haben.«
    Kama machte eine wegwerfende Bewegung. »Überall, wo Licht ist, sein auch Schatten. Aber ich nicht das meinen.
    Jetzt die Schatten haben bei den Satai die Überhand gewonnen und das Licht fast ganz verdrängt. Wenn sie erst haben vollständig die Macht, alles ist zu spät.«
    »Das ist ja alles schön und gut«, sagte Skar. »Aber was geht es mich an? Dreihundert Jahre sind eine sehr lange Zeit. Viele Generationen sind mittlerweile vergangen.
    Selbst, wenn ich noch Nachfahren hätte — sie haben nicht mehr mit mir gemein als ein See mit einer seiner Quellen gemein hat, wenn ihn doch gleichzeitig mehrere hundert Quellen speisen. Nein«, er schüttelte entschieden den Kopf, »dieses Enwor ist nicht mein Enwor. Ich bin ihm zu nichts verpflichtet.«
    »Und wenn nun nicht nur die Existenz der Satai auf dem Spiel stehen, sondern auch die ganz Enwors?«
    Skar starrte schweigend vor sich auf den matschigen Boden, der unweit ihres Lagers aus morschen Ästen und zusammengehäuften Blättern leicht abschüssig verlief und nur von spärlichem, grün geflecktem Moos und kargen, dünnen Gräsern zusammengehalten wurde. Schon die nur wenige Schritte entfernten nächsten Bäume waren nichts als dunkle Schatten in diesem merkwürdig grauen Nebel, der sich feucht und erstickend auf die Atmungsorgane legte, als wollte er ihn und seine beiden Begleiter mit einem Leichentuch bedecken.
    »Was ist denn so erhaltenswert an Enwor?«, fragte er.
    »Du das fragen im Ernst?« Der Nahrak wirkte nicht empört, sondern eher — betroffen. »Du wirklich fragen, warum tausende von Kindern haben ein Recht auf ein Leben? Warum es ist wichtig, Kulturen zu erhalten…?«
    »Was für Kulturen?«, fragte Skar bitter. »Enwor fällt immer mehr der Zerstörung anheim. Die
Errish
und Elay —zerstört. Ausgelöscht vom Sternenfeuer. Die reiche Hafenstadt Grandiosa — bis auf die Grundfesten verbrannt. Und mit ihr nicht nur viele tausend Menschen, sondern auch unersetzliche Gemälde, Schriftstücke und Kostbarkeiten.
    Die Tempel der
Ehrwürdigen Frauen,
die Städte des Hochlands, die alten Königtümer… soll ich wirklich weitermachen und dir all das aufzählen, was bereits während meiner begrenzten Lebensspanne alles unwiederbringlich verloren ging?«
    »Die Geschichte sein ein fortwährendes Auf und Ab«, sagte Kama. »Auf der Asche verbrannter Erde wächst wieder Neues. Nichts sein auf ewig verloren. Der Wandel wird neue Blüten hervorbringen.«
    »Nein«, sagte Skar schroff. »Das wird er nicht. Und wenn einer die Zusammenhänge kennt, dann du.« Er wusste nicht, woher er diese plötzliche Sicherheit nahm, er wusste einfach, in diesem einen, unheimlich kostbaren Moment, dass er die Wahrheit sprach, und er konnte es nicht verhindern, dass sie weiter aus ihm heraussprudelte. »Enwor stirbt, Kama. Es geht unter. Was vor dreihundert Jahren in der Vernichtung der
Errish
gipfelte, hat sich weiter ausgebreitet. Möglich, dass die Digger damit etwas zu tun haben, möglich, dass sich
Errish
und Digger in so vielem unterscheiden, aber nicht in der fundamentalen Bedeutung, die sie für Enwor haben: Die einen zu seinem Erhalt, die anderen zu seiner Zerstörung.«
    Der Nahrak runzelte die Stirn und sagte etwas so leise, dass ihn Skar nicht verstand. Dabei war er sich nicht sicher, ob das wütende Funkeln in seinen Augen ihm oder seinen Worten galt.
    »Was hackt ihr beide immer wieder auf uns Diggern herum?«, fuhr Esanna dazwischen. »Wir sind kein kriegerisches Volk. Wir wollen einfach nur in Ruhe unserer Beschäftigung nachgehen…«
    Skar reagierte nicht auf ihre Worte, obwohl sie den Kopf drehte und ihn fragend ansah. Er wollte nicht antworten. Er wollte überhaupt nicht reden, sondern einfach nur dasitzen und das vage Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit genießen, das ihm die Müdigkeit vorgaukelte, vielleicht zum letzten

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