Enwor 11 - Das elfte Buch
rutschte er ein paar Schritte weit nach vorne und musste sich mühevoll ausbalancieren.
Dann hatte er auch schon den Rand des Unterholzes erreicht und drückte vorsichtig ein paar Zweige auseinander, die ihm die Sicht nach vorne versperrten. Bevor er dazu kam, einen vorsichtigen Blick auf die Szene zu werfen, die sich vor ihm abspielte, spürte er Esannas Hand auf der Schulter, dann an seiner Seite und im nächsten Augenblick sah er sie auch schon vor sich, wie sie an ihm vorbeirutschend mit einem Aufschrei auf den morastigen Weg plumpste.
»Ich hatte doch gesagt, du sollst keinen Krach machen«, murmelte Skar. Aber statt sich in den Schutz des Gebüschs zurückzuziehen, folgte er Esanna und sprang mit einem Satz aus seiner Deckung hervor, während sein
Tschekal
wie von selbst den Weg in seine Waffenhand fand.
Er brauchte es nicht. Es war lediglich ein Reiter in seinem Blickfeld: ein Satai, seiner um Arm- und Beinschilde erweiterten Kleidung nach zu schließen, die allerdings blutbesudelt und ramponiert war. Sein Pferd, ein von Natur aus wohl eher kräftiger Brauner, taumelte vor Schwäche und wäre fast gestürzt, als sein Reiter es auf dem morastigen Boden herum und in Esannas Richtung zwang. Das Fell des Tieres war mit weißem, flockigem Schweiß und Blut bedeckt und aus seinem Maul tropfte heller Schaum.
Sein Reiter konnte oder wollte darauf keine Rücksicht nehmen, was angesichts seines Zustands auch kein Wunder war. Seine ehemals strapazierfähige Kleidung war zerfetzt und mit etwas verschmiert, was Skar auf den ersten Blick für eine abstoßende Mischung von Schlamm, Blut und Dreck hielt. Sein rechter Arm hing nutzlos und sonderbar falsch und verdreht von der Schulter und musste gebrochen sein, sein Brustharnisch war geborsten und über und über von Blut besudelt, als sei ihm eine frische Brustwunde zugefügt worden. Er hockte weit nach vorne gebeugt im Sattel und schien sich nur noch mit letzter Kraft auf dem Rücken des Tieres zu halten. Als sein Pferd schräg und versetzt näher tänzelte, bemerkte Skar seinen rasselnden und von einem furchtbaren Laut begleiteten Atem; es war ein Wunder, dass es seinen Reiter noch nicht abgeworfen hatte.
Skar war mit wenigen Schritten bei dem Tier und griff blitzschnell zu, um seinen wankenden und fast aus dem Sattel gestürzten Reiter in letzter Sekunde aufzufangen.
»Die Quorrl«, stöhnte der Mann. »Vorsicht… sie sind noch in der Nähe.«
»Was ist passiert?«, fragte Skar leise, während er den Mann vorsichtig auf den Boden gleiten ließ und sich an den Verschlüssen des Harnischs zu schaffen machte, um sich seine Wunde anzusehen — falls es für eine Hilfeleistung nicht sowieso schon zu spät war.
Der Satai hob mühsam den Kopf, um Skars Blick zu suchen. »Du musst… Marna… warnen«, brachte er mit bebender, erschöpfter Stimme hervor, die Worte nicht viel mehr als ein Flüstern, das Skar mehr erriet als verstand. »Marna?«
»Ja«, nickte der Satai mühsam.
Skar hatte endlich die Verschlüsse des Harnischs geöffnet und zog den Brustpanzer vorsichtig ab. Das, was darunter zum Vorschein kam, erschreckte ihn: Es war eine klaffende, gezackte Wunde, und obwohl die Wucht des tödlichen Hiebs vom Harnisch wohl größtenteils aufgefangen worden war, war sie viel zu tief, um sie mit einfachen Mitteln schließen zu können.
»Die Quorrl… sie sammeln sich«, stieß der Satai hervor. »Skar!«, schrie Esanna neben ihm entsetzt auf. »Er… er stirbt!«
Skar gab ihr insgeheim Recht. Der dunkle Fleck auf der Brust des Satais wuchs rasch und selbst wenn er sofort in die Hände eines begnadeten Heilers gekommen wäre, wäre er wohl kaum noch zu retten gewesen. Das Einzige, was er selbst noch tun konnte, war ein Wort des Trostes oder der Zuversicht zu spenden — aber er wusste nicht, wie viel Zeit ihnen noch blieb, bis die Quorrl auftauchten, von denen der Mann gesprochen hatte. »Wo sammeln sie sich?«, fragte er deshalb.
»Nicht weit… von hier…« Der Mann versuchte weiterzusprechen, aber seine Worte kamen immer stockender und die Pausen dazwischen, in denen er qualvoll nach Atem und Kraft rang, wurden länger. Sein Körper zitterte. Plötzlich schrie er, bäumte sich auf und warf sich zurück, so abrupt und heftig, dass er Skars Griff entglitt und rücklings in den Morast stürzte. Er hustete qualvoll und versuchte sich herumzuwälzen; offensichtlich war ihm das, was er sagen wollte, wichtiger als alles andere und wahrscheinlich war es ihm trotz seiner
Weitere Kostenlose Bücher