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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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oder mehr in die Erde hinabführen. Boden und ein Teil der Wände waren vom Feuer geschwärzt und auch die Treppe war hier und da in Mitleidenschaft gezogen worden. Dieser Schacht war nicht immer leer gewesen und er war lange nicht der Einzige seiner Art. Im Gegenteil. Es gab unzählige: bodenlose, schwarze Gruben, in denen der Tod in gewaltigen schwarzen Pfeilen aus Stahl eingefangen war und darauf wartete, aus der Erde hervorzubrechen und ganze Städte mit Feuer und Glut vom Antlitz dieses Planeten zu tilgen.
    Diese Erinnerung verscheuchte er. Es gab Dinge, die wollte er gar nicht mehr wissen.
    Die Treppe endete vielleicht hundert Meter unter der Decke vor einer halbrunden Tür, die waagerecht weiter in den Berg hineinführte. Von dem Gang, in den er gelangte, zweigten zahlreiche weitere Türen ab. Er warf neugierige Blicke durch die meisten und blieb hier und da sogar stehen, hütete sich aber den Gang zu verlassen. Die meisten Türen führten ohnehin nur in weitere, endlose Gänge, von denen weitere Türen abzweigten — dieser ganze Berg musste ausgehöhlt sein wie ein Bienenstock! —, manche in große, saalähnliche Räume voller unverständlicher Dinge, einige aber auch in weitere Schächte, gleich dem, durch den er diese unterirdische Anlage betreten hatte. Er beachtete nichts davon, sondern ging mit ruhigen Schritten weiter.
    Seine Aufgabe wartete nicht hier auf ihn, in dieser unterirdischen Anlage hinter dem Wasserfall. Hier hatte es geendet und hier würde es wieder beginnen.
    Er passierte eine weitere Tür, blieb stehen und ging wieder zurück, von einem sonderbaren, kaum in Worte zu fassenden Gefühl erfüllt. Die Kammer war nicht besonders groß und vollkommen leer. Der Boden war mit einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckt, so als wäre dieser Raum seit mindestens einem Jahrhundert nicht mehr betreten worden. Der schwarze Sternenstahl der Wände wirkte irgendwie… verzerrt, als wäre er geschmolzen und wieder erstarrt, ganz kurz, bevor er wirklich seine Form verlieren konnte. Er wagte es nicht, den Raum zu betreten — eine sonderbare Mischung aus Ehrfurcht und Unbehagen hatte ihn ergriffen, so als stünde er am Eingang eines Grabes —, aber er streckte die Hand aus und berührte das Metall unter der Staubschicht.
    Aus der Vermutung wurde — fast — Gewissheit. Es war ein Grab. Und er war nicht zufällig hier, sondern weil jemand —etwas — ihn hierher geführt hatte. Um sich zu erinnern.
    Er senkte die Hand, drehte sich fast hilflos einmal im Kreis und wollte weitergehen, tat aber dann das Gegenteil: Er wich in die Kammer zurück, ließ sich zu Boden sinken und lehnte Kopf und Schultern gegen den verbogenen Stahl der Wände. Dieser Ort hatte Erinnerungen gespeichert. Es musste ihm nur gelingen, sie sich zugänglich zu machen, und er würde endlich alles wissen. Er schloss die Augen und wartete darauf, dass die Erinnerungen kamen.
    Nichts geschah. Er schlief ein.
    Und erwachte, als jemand die Kammer betrat. Geräusche und Bewegung hatten ihn direkt aus einer Tiefschlafphase gerissen, sodass er im ersten Moment noch benommen war; optische und akustische Eindrücke wirbelten hinter seiner Stirn durcheinander, vermengten sich mit sinnlos aufblitzenden Bildern und Fetzen von Gefühlen — zum größten Teil negativen Gefühlen, die zu schnell aufflackerten und wieder erloschen, um sie zu identifizieren, aber ein allgemeines, unangenehmes Gefühl in ihm hinterließen. Es vergingen einige Sekunden, ehe aus den tanzenden Schatten vor ihm zwei Gestalten wurden. Einer der beiden Männer war ein wahrer Riese, ein Gigant von mehr als sieben Fuß Größe und Ehrfurcht gebietend breiten Schultern. Er war verletzt.
    Die Hälfte seines Gesichtes war verheert, das Auge ausgelöscht. Er schien kaum noch genügend Kraft zu haben, um sich auf den Beinen zu halten, denn er lehnte schwer an der Wand, seine Knie zitterten. Er trug ein schlankes, schmuckloses Schwert in der Rechten, von dessen Klinge hellrotes Blut tropfte.
    Die zweite Gestalt lag verkrümmt und inmitten einer allmählich größer werdenden Blutlache vor dem Riesen auf dem Boden. Beide trugen Mantel, Harnisch und Stirnband eines Satai, und trotzdem wusste der Krieger, dass sie keine Freunde waren, sondern der eine das Opfer des anderen. Sie hatten sich die tödlichen Wunden gegenseitig zugefügt.
    Dann wurde ihm klar, dass er Zeuge seines eigenen Todes wurde.
    Der Mann am Boden war er. Es war der Mann, der er gewesen war, vor langer, sehr

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