Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
geduldigen Zeitrechnung der Natur.
    Er drehte sich weiter und mit jeder Sekunde, die verging, wuchs seine Anspannung. Dabei deutete nichts von dem, was er sah, auf irgendeine Gefahr hin. Er sah nur Ruinen, Schnee und halb erfrorenes Gebüsch. Aber etwas in ihm —der Krieger, der er trotz allem immer noch war — spürte die Gefahr, die sich hinter diesem Bild scheinbarer Normalität verbarg. Er hatte die beiden Toten nicht vergessen. Es mochte sein, dass sie der Kante zu nahe gekommen und einfach vom Wasser ergriffen oder von einer unerwarteten Windböe getroffen und in die Tiefe geschleudert worden waren, ebenso gut konnten sie auch gegeneinander gekämpft und sich so gegenseitig in den Tod gerissen haben. Ein Satai und ein Quorrl. Untrennbare Kampfgefährten oder unversöhnliche Feinde — das eine war so denkbar wie das andere. Und er war vermutlich gut beraten, von der schlimmeren der beiden Möglichkeiten auszugehen.
    Wie sich zeigte, vermutlich mit Recht. Während er sich langsam dem Ufer der künstlichen Insel näherte, die inmitten des Flusses errichtet war, fand er deutliche Spuren eines Kampfes. Einem weniger geübten Auge als seinem wären sie vermutlich entgangen, aber für Skar waren sie so deutlich, wie es nur ging: Ein Stück zerrissener Stoff hier, eine zerbrochene Waffe da, Blut, das an einem Mauerrest einzutrocknen begann, eine Handvoll zerborstener, metallischgrüner Schuppen… er konnte nicht sagen, wer wen angegriffen oder gar, wer den Sieg davongetragen hatte, aber ihm wurde doch bald klar, was hier passiert sein musste. Eine der beiden Gruppen — Mensch oder Quorrl — hatte im Schutze der Ruinen ihr Nachtlager, aufgeschlagen und war von der anderen — Satai oder Ungeheuer — überfallen worden. Der Kampf musste erbittert gewesen sein, aber das wunderte Skar nicht: Ein Zusammenprall zwischen den bestausgebildetsten Kriegern Enwors und den gefürchteten Reptilienmännern konnte nur erbittert sein.
    Der Gedanke stimmte ihn traurig. Die neuen Herrscher der Quorrl hatten ihr Wort gehalten und diese Tempelfestung ausgelöscht. Möglicherweise hatten sie die Gefahr für eine ganze Welt, die von ihr ausgegangen war, damit gebannt, aber ihr allergrößtes und ehrgeizigstes Ziel, nämlich den Frieden, schienen sie verfehlt zu haben. Satai kämpften weiter gegen Quorrl. Die Menschen führten weiter Krieg gegen die Wesen, die ihre Vorfahren eigentlich erschaffen hatten, um den Krieg ein für alle Mal abzuschaffen.
    Dann fiel Skar der Fehler in diesem Gedankengang auf.
    Er ging von Voraussetzungen aus, die er gar nicht kannte.
    Er wusste weder, worum es bei diesem Kampf gegangen war, noch, wer hier eigentlich gegen wen gekämpft hatte. Es war genauso gut möglich, dass Satai und Quorrl Schulter an Schulter gegen einen dritten Feind gekämpft hatten — auch wenn sich Skar beim besten Willen keinen Gegner vorzustellen vermochte, der verrückt genug wäre sich mit Satai und Quorrl zugleich anzulegen.
    Aber er wusste nichts über diese Welt. Er wusste nicht einmal etwas über die Zeit, in der er sich befand. Es konnte Tage her sein, seit Kiina und Titch ihn im Sturz von Ninga beerdigt hatten, ebenso gut aber auch Wochen oder Monate. Vielleicht Jahre. Vielleicht war seine Tochter jetzt eine erwachsene Frau und vielleicht sogar —Daran wollte er nicht denken.
    Er beendete seine Musterung der Umgebung und betrat die halb zusammengestürzte Brücke, die zum eigentlichen Ufer hinführte. Seine Schritte wurden langsamer und nach einem Moment blieb er stehen. Die Brücke war nicht vollends eingestürzt, und den reißenden Strom auf dem schmalen verbliebenen Band zu überqueren stellte im Grunde keine besondere Gefahr dar, zumal für einen einigermaßen geschickten Mann, wie er es war. Aber er hatte mit Wasser bisher eigentlich nur schlechte Erfahrungen gemacht, und viel schwerer wog: Wenn an diesem Ort ein Kampf stattgefunden hatte und wenn es noch jemanden gab, der ihn beobachtete und ihm vielleicht auflauern wollte, konnte er sich keinen besseren Ort dafür aussuchen. Auf dem letzten Stück zum Ufer hin bestand die Brücke im Grunde nur noch aus einem ausgeglühten Stahlskelett, das auf eine kaum in Worte zu fassende Weise verzerrt und in sich verdreht war. Er würde sein ganzes Geschick brauchen, um dort hinüberzugelangen, und infolgedessen so gut wie hilflos sein. Aber es gab keinen anderen Weg.
    Skars Befürchtungen erwiesen sich als übertrieben. Er erreichte unbehelligt das Ufer und fand

Weitere Kostenlose Bücher