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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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alt wirklich, war nicht zu sagen, denn sein Gesicht bestand zum Großteil aus einer verwüsteten Kraterlandschaft von Pockennarben und Schorf —, hatte strähniges braunes Haar und roch, als hätte er das letzte Mal nach seiner Geburt gebadet. Sein Blick irrte unstet zwischen Skar und Andred hin und her. Er hatte Angst.
    »Ist Herger zu Hause?« fragte Andred, ohne auf die Frage einzugehen.
    Der Alte nickte. »Ja, aber —«
    »Ruf ihn.«
    Für einen Moment schien der Alte widersprechen zu wollen, aber dann wandte er sich mit einer beinahe hastigen Bewegung um, schlurfte durch den Raum und verschwand durch eine schmale, mit einem zerschlissenen Vorhang versehene Tür.
    Skar sah ihm stirnrunzelnd nach. »Wer ist das?« fragte er.
    Andred zuckte die Achseln. »Irgend so ein verrückter Alter, der sich hier sein Gnadenbrot verdient«, meinte er. »Herger hat viele Leute, die für ihn arbeiten — ich sagte dir doch, daß sich hier das seltsamste Gelichter herumtreibt.« Er lächelte aufmunternd, als er Skars besorgte Miene sah. »Keine Angst«, sagte er. »Ich kenne ihn seit fünfzehn Jahren. Er ist vertrauenswürdig — zumindest Män-
    nern gegenüber, bei denen nichts zu holen ist«, fügte er ironisch hinzu.
    Skar knurrte etwas Unverständliches, drehte sich weg und begann, das Innere des Ladens zu mustern. Der Raum war nicht groß, aber bis in den letzten Winkel vollgestopft — mit Gerümpel. Skar fiel beim besten Willen kein anderes Wort dafür ein. Er mußte seinen ersten Eindruck schon nach wenigen Augenblicken revidieren — das, was er draußen vor der Tür gesehen hatte, waren keine ausgesonderten Teile, die Herger dort hängen hatte, um seine besseren Waren nicht dem Risiko eines Diebstahles auszusetzen. Was hier, verteilt auf Regale und Bänke und Kisten und provisorische Gestelle oder auch einfach auf dem Fußboden aufgestapelt war, befand sich ausnahmslos im gleichen Zustand. Meistens Teile von Schiffsausrüstungen, soweit er in diesem Müllhaufen überhaupt einen Sinn erkennen konnte, aber auch anderer Kleinkram, der irgendwann vor einem Jahrhundert oder länger einmal zu irgend etwas nützlich gewesen war. Es war nicht ein Teil darunter, für das er auch nur den Schmutz unter seinen Fingernägeln hergegeben hätte.
    »Wovon lebt dein Freund eigentlich?« fragte er nach einer Weile.
    »Herger?« Andred lächelte dünn. »Offiziell ist er so eine Art Trödler. Es gibt immer wieder einen, der das eine oder andere aus diesem Abfallhaufen gebrauchen kann.«
    »Und inoffiziell?«:
    Diesmal antwortete Andred nicht gleich. »Schmuggler«, sagte er dann, zuckte aber unmittelbar darauf mit den Achseln, um klarzumachen, daß es wohl nicht mehr als eine Vermutung war. »Er kennt jeden und alles, und wenn du irgendeine Information brauchst, dann bekommst du sie hier.«
    Skar schwieg einen Moment. Halbwegs hatte er diese Antwort erwartet. Männer wie Herger gab es in jeder Stadt, in die er gekommen war — Männer, die einem für eine kleine Münze einen Führer verschafften, die die besten Bordelle und die billigsten Tavernen kannten, die eine erstaunliche Anzahl von Neffen, Onkeln, Brüdern und Schwestern in jedem Geschäft und jedem Amt der Stadt aufzuweisen hatten und bei denen man für eine etwas größere Münze auch schon einmal einen Dolch mitsamt der dazugehörigen Hand kaufen konnte. Es gefiel ihm nicht. Wenn es jemanden gab, der ihn und Andred verstecken und unauffällig aus der Stadt herausbringen konnte, dann war es vermutlich Herger. Aber genauso wahrscheinlich würde er auf Gondereds Liste ganz oben stehen, wenn der Thbarg daranging, die Stadt zu durchkämmen.
    »Du siehst nicht sehr zufrieden aus«, sagte Andred.
    Skar versuchte zu lächeln, aber es mißlang. »Du hast recht«, murrte er. »Ich schlage vor, daß wir so rasch wie möglich hier verschwinden. Wenn du mich fragst, dann ist Gondered spätestens morgen bei Sonnenaufgang hier.«
    »Du irrst dich, Satai«, sagte eine Stimme von der Tür her.
    Skar zuckte zusammen, fuhr herum und legte instinktiv die Hand auf den Schwertgriff. Der Vorhang war zur Seite geschlagen worden, so leise, daß Skar nicht einmal das Rascheln von Stoff gehört hatte, und unter dem Durchgang war ein dunkelhaariger, schlanker Mann erschienen. Er war groß, fast eine Handspanne größer als Skar, aber von so schlankem Wuchs, daß er kleiner wirkte. Und er war sehr jung; vielleicht dreißig — wenn das Herger war, dann mußte Andred ihn praktisch schon als Kind

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