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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wie er durch eine Glasscheibe, und daß es all seine Gefühle, Gedanken und Wünsche kannte, über jeden seiner Schritte Bescheid wußte, noch bevor er ihn tat. Der Wolf war vom ersten Tag an auf seiner Fährte gewesen, und er hatte diese Spur nicht für eine Sekunde verloren. Er hatte mit ihm gespielt, ihn gehetzt, so wie ein wirklicher Wolf seine Beute hetzt, bis sie müde und erschöpft ist und er sie ohne große Gefahr schlagen kann. Er hatte zugesehen, wie alles um ihn herum zerbrach, wie jeder Mensch, den er liebte oder dem er wenigstens Sympathie entgegenbrachte, auf die eine oder andere Weise zugrunde ging. Es war nicht so sehr eine Jagd über eine räumliche Entfernung hinweg gewesen, sondern vielmehr eine Hatz durch seine Gefühle, eine Jagd zum Ende der Verzweiflung. Der Tod war nicht genug für die Schmach, die Skar ihm zugefügt hatte. Combats Wächter wollte Rache, und er hatte sie bekommen. Er hatte den Skar, der in die brennende Stadt gekommen und seinen Schatz geraubt hatte, vernichtet, nicht ein-, sondern ein dutzendmal, hatte ihn gehetzt, bis seine Welt, sein
Leben,
Stück für Stück zerbrochen war, bis aus Skar, dem Satai, ein Mann geworden war, der sich selbst verachtete, haßte.
    All dies lag in diesem einen kurzen Blick, dies und noch viel, viel mehr. Die Jagd war zu Ende, hier und jetzt. Skar hatte ihm allen Schmerz zugefügt, den er ihm zufügen konnte, hatte ihn gequält, ohne daß Skar bis jetzt begriffen hatte, wer sein
wirklicher
Gegner war.
    Jetzt würde der ihn töten.
    Langsam, aber mit einer Eleganz, die der scheinbaren Schwerfälligkeit seines aus Granit gemeißelten Körpers spottete, drehte sich das gewaltige Tier herum, machte einen Schritt in Skars Richtung und blieb abermals stehen. Sein Rachen öffnete sich. Der Atem der Hölle schien Skar zu streifen.
    Es war Tantor, der Skar das Leben rettete. Der Zwerg hatte sich unbemerkt aufgerichtet und einen Beutel aus dem blauen Mantel hervorgeholt. Sein Gesicht war blutüberströmt und geschwollen, und dort, wo er gegen die Wand geprallt war, war ein schmieriger roter Fleck zurückgeblieben. Doch von alldem schien er kaum etwas zu bemerken. Wankend, aber trotzdem hochaufgerichtet und mit festen Schritten trat er über Skar hinweg, breitete die Arme aus und verstellte dem Wolf den Weg.
    Das Tier zögerte. Der Blick seiner schwarzen, grundlosen Augen glitt über Tantors Gestalt, taxierte den neuen Gegner. Ein dumpfes Knurren drang aus der gewaltigen Brust des Wolfes.
»Sharagey«,
sagte Tantor.
»Sharagey tehm!«
    Waren die Worte Skar auch fremd, so schien der Wolf ihre Bedeutung — oder zumindest ihren Sinn — doch zu verstehen. Seine Ohren zuckten. Skar sah, wie sich die gewaltigen Muskeln des Tieres zum Sprung spannten.
    »Nein!«
schrie Tantor. »Laß ihn!
Er gehört mir!«
Mit einem gellenden Schrei warf er sich dem Wolf entgegen, riß die Hand hoch und warf das Pulver, das er bisher darin verborgen gehalten hatte.
    Für eine halbe Sekunde schien der Wolf hinter einer glitzern-
    den weißen Wolke zu verschwinden. Eine unsichtbare Woge mörderischer, beißender Kälte rollte über Skar hinweg und ließ seine Haare und Augenbrauen gefrieren. Die Luft war plötzlich von Dampf und knisternder Kälte erfüllt. Auf dem Boden und an den Wänden bildete sich Eis, eine hauchdünne, blitzende Schicht, schimmernd wie millionenfach geborstenes Glas. Die Atemluft schien in Skars Kehle zu gefrieren, und sein Gesicht brannte plötzlich wie Feuer. Der Sekal-Mantel zuckte, zog sich noch einmal wie unter einem gewaltigen Krampf um Skars Körper zusammen und zerbrach wie Glas, als Skar sich instinktiv dagegenstemmte. Skar warf sich herum, hörte Herger schreien und schlug schützend die Hände vor das Gesicht, als ihn eine zweite Kältewelle wie ein Axthieb traf. Tantors Gestalt schien in einen Mantel aus blitzenden Eiskristallen eingehüllt zu sein. Er schrie, aber auch seine Stimme war wie Glas, spröde und geborsten. Der Wolf taumelte. Tantors Zauberpulver hatte seinen Körper erstarren lassen und das matte Schwarz des Granits mit milchig-blinkendem Weiß überzogen und seine Augen in geborstene Spiegelscherben verwandelt. Seine Bewegungen wurden langsamer, eckig, erstarrten schließlich in glitzerndem, gesprungenem Weiß.
    Aber nur für einen Moment. Noch bevor Skar sich vollends aus den Resten des Mantels befreit und auf die Füße gestemmt hatte, ging der schwarze Dämon aus Combat zum Gegenangriff über. Winzige gelbe Flammen züngelten

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