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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hockten. Gleichzeitig begann Jamaßens Körper in sich zusammenzufallen, als verbrauche sich seine Substanz rasend schnell, um dieses fürchterliche Netz zu schaffen.
    »Ihr Götter!« keuchte Del. »Was —«
    Rückwärts gehend wichen sie vor der entsetzlichen Erscheinung zurück, bis sie die Treppe erreichten. Das Netz wuchs weiter, aber es schleuderte keine Fäden mehr in ihre Richtung, als spüre das Ding in Jamaß ganz instinktiv, daß sie nicht mehr in seiner Reichweite waren.
    »Urcöun«, sagte Del plötzlich.
    Skar sah ihn verwirrt an, blickte aber sofort wieder zu Jamaß und dem Netz herab. Es wuchs noch immer, im gleichen Tempo, in dem es Jamaßens Körper aufzehrte. »Was meinst du damit?« fragte er.
    »Ich... ich weiß es jetzt«, stammelte Del. »Skar — ich weiß jetzt, wo ich so etwas schon einmal gesehen habe — es war in Urcöun, in der Flußhöhle unter dem wandernden Wald!«
    Er hatte recht. Skar erinnerte sich im gleichen Augenblick, in dem Del die Worte aussprach, und plötzlich wußte er auch, woher dieses beunruhigende Gefühl gekommen war, dies alles schon einmal erlebt zu haben, wenn auch in ganz anderer Art.
    Es war in Urcöun gewesen, in jener zyklopischen finsteren Felsenhöhle, in der alles begonnen hatte, vor so vielen Jahren.
    Es war größer gewesen, unendlich viel größer, und nicht so tödlich wie dieses hier, aber es war das gleiche, auf unbeschreibliche Art
lebendige
Netz gewesen wie jetzt.
    Skar machte einen Schritt die Treppe hinauf, blieb stehen und streckte die Hand nach einer der Fackeln aus, die neben dem Treppenschacht brannten. Del hielt ihn zurück und wies mit einer Kopfbewegung nach vorne, nicht auf Jamaß, sondern auf den toten Veden, der zu seinen Füßen lag. Skar erkannte sofort, was er meinte.
    Das Netz, das bereits einen Teil von Torians Körper eingesponnen gehabt hatte, begann zu zucken. Dünne peitschende Schlangenärmchen griffen haltlos in die leere Luft, erschlafften wieder oder schlugen plötzlich wie in Agonie um sich. Jamaß hob mit einem röchelnden Keuchen die Arme und versuchte, seine Hände von Torians Körper zu lösen. Plötzlich war Angst auf seinem entstellten Gesicht.
    Er schaffte es nicht.
    Del und Skar konnten sehen, wie das Netz starb, nur Augenblicke nach Torian. Die Fäden verfärbten sich, wurden grau statt schwarz und schrumpelten zusammen wie ausgedörrte Wurzelstrünke. Jamaß bäumte sich auf, versuchte von dem Toten wegzukommen, und riß schließlich seine rechte Hand los. Blut und ein Schwall klarer, glitzernder Flüssigkeit sprudelten aus dem zerborstenen Stumpf seiner Hand und besudelten den toten Veden, und Jamaß begann zu schreien. Das Netz, das Torian einhüllte, war jetzt fast vollkommen abgestorben, aber der unheimliche Prozeß ging weiter. Wie graue Tinte auf Löschpapier breitete sich die bleiche Farbe im Leib des Parasiten aus, griff plötzlich auch auf Jamaß über und tötete auch hier das Netz.
    Der Vede begann zu toben, bäumte sich auf und versuchte noch einmal, sich von Torian loszureißen. Aber seine Kraft reichte nicht.
    »Sieh dir das an«, murmelte Del fassungslos. »Es ... es stirbt mit seinem Träger!«
    »Ja. Aber es versucht zu überleben.« Skar deutete auf den Boden. Ein Teil des schwarzen Geflechtes hatte sich von Jamaß gelöst und kroch wie ein Teppich ineinanderverknäulter glitzernder Würmer auf ihn und Del zu, nur noch durch eine dünne Nabelschnur mit den beiden Veden verbunden. Skar faßte erneut nach der Fackel, aber Del schüttelte abermals den Kopf. Seine Hand kroch zum Gürtel, öffnete eine verborgene Tasche und kam mit einem kleinen, fünfzackigen
Shuriken
wieder zum Vorschein.
    Er schleuderte die Waffe mit solcher Kraft, daß sie fast zur Hälfte in Jamaßens Schädel eindrang und ihn auf der Stelle tötete. Das Netz erschlaffte. Seine verzweifelten Bewegungen wurden fahrig, verloren ihre Kraft und Zielgerichtetheit und hörten schließlich ganz auf. Nach kaum einer Minute hatte sich auch der letzte Ausläufer des tödlichen Parasiten grau gefärbt und war tot. Trotzdem wagten sie es nicht, dem Netz auch nur nahe zu kommen, sondern traten über die Treppe ins erste Stockwerk hinaus und stiegen aus dem Fenster, um an der Außenmauer des Turms wieder hinabzuklettern.

E s dauerte vier Stunden, bis die letzten Überlebenden des Satai-Heeres durch das Tor getaumelt waren, verfolgt von einer lebenden Lawine aus grüngeschuppten Quorrl, die sich selbst durch den wütenden Hagel aus Pfeilen

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