Enwor 7 - Das schweigende Netz
fürchterliche Weise Fremden und Falschen, das davon ausging. Er wußte nicht, was dieses Netz war und was es bewirkte, aber er wußte mit unerschütterlicher Sicherheit, daß es etwas war, das nicht in diese Welt gehörte.
Del stand mit einer abrupten Bewegung auf und trat zurück. »Was ist das, Skar?« fragte er leise. Seine Stimme zitterte, und das, was Skar darin hörte, war pures Entsetzen.
Auch Skar erhob sich und trat ein paar Schritte zur Seite, auf absurde Weise froh, aus der unmittelbaren Nähe der Toten und ihres schrecklichen Parasiten zu entkommen. Er sah nicht einmal mehr in ihre Richtung, als er antwortete. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber ich habe das Gefühl —«
»- es schon einmal gesehen zu haben?« Del lächelte, sehr rasch und ohne die geringste Spur von echtem Humor, als er Skars überraschten Blick bemerkte. Dann nickte er. »Mir geht es genauso«:, fuhr er fort. »Aber ich weiß nicht, wann und wo.« Er schüttelte den Kopf, biß sich nachdenklich auf die Unterlippe und sah einen Moment lang auf die Tote herab. »Etwas stimmt hier nicht, Skar. Das sind
Errish,
aber ... irgend etwas macht mir Angst.«
Diesmal war Skar ehrlich überrascht. Er kannte Del seit mehr als zwanzig Jahren, aber er hatte ihn in all dieser Zeit kaum ein halbes Dutzend mal gestehen hören, daß er Angst empfand. Aber die Worte waren nicht nur so dahergesagt — Del hatte Angst, ebenso wie er und alle anderen hier. Etwas ging von diesem schwarzen Fädengespinst aus, das ihre Seelen in Aufruhr brachte. »Sind sie alle tot?« fragte er.
Del nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Eine lebt noch. Aber sie wird sterben, ehe die Sonne untergeht.« Seine Stimme klang fast erleichtert.
»Vielleicht kann Bradburn ihr helfen«, schlug Skar vor.
Del sah ihn vielsagend an. Weder er noch irgendeiner der anderen, das begriff Skar plötzlich, war besonders erpicht darauf, daß irgend jemand der verwundeten
Errish
half. Sie alle hatten Angst vor ihr — und viel mehr noch vor dem Ding, das sie bedeckte. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann erging es ihm nicht anders. Allein der Gedanke, dieses lebendige schwarze Etwas mit in die Festung zu bringen, war ihm zuwider. »Trotzdem«, fällte er seine Entscheidung. »Wir müssen sie mitnehmen. Sie kann uns wertvolle Informationen liefern.«
Del wollte widersprechen, aber Skar machte eine rasche, befehlende Geste und wandte sich an die Krieger: »Bereitet alles für den Rückmarsch vor«, gebot er laut. »Und begrabt die Toten. Alle.«
Einer der Männer deutete auf die riesige Panzerechse. »Die Tiere, Herr. Was machen wir mit ihnen?«
Skar überlegte einen Moment. Die Versuchung, die beiden überlebenden Drachen einfach mitzunehmen, um sie eventuell zu zähmen und in der bevorstehenden Schlacht einzusetzen, war verlockend. Aber er spielte nur für eine Sekunde mit diesem Gedanken — es war kein Zufall, daß auf ganz Enwor nur die
Errish
diese vorzeitlichen Kolosse zu reiten vermochten. Die Zahl der anderen, die es versucht hatten, war groß, aber keiner von ihnen lebte noch. Und Skar war trotz allem nicht sicher, daß die grauen Riesenigel endgültig zu den friedlichen Tieren geworden waren, als die sie sich ihnen im Moment darboten. Er konnte sich wahrhaft Lustigeres vorstellen, als diese beiden Kolosse in der Burg zu haben, falls sie sich plötzlich wieder daran erinnerten, daß sie eigentlich hierhergekommen waren, um Krieg zu führen...
»Wir lassen sie hier«, entschied er. »Vielleicht finden sie den Weg zurück.«
»Es wäre besser, wir würden sie töten«, widersprach Del.
Skar schüttelte heftig den Kopf. »Wozu?« fragte er, eine Spur lauter, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Etwas in ihm sträubte sich dagegen, diese beiden Riesenkreaturen einfach sinnlos abzuschlachten. »Sie sind nicht mehr gefährlich.« Er unterstrich seine Worte mit einer neuerlichen, befehlenden Geste — die Del erstaunlicherweise hinnahm, obwohl doch eindeutig er es war, der hier irgend jemandem Befehle zu erteilen hatte. Und nach einer Weile drehte sich Skar ohne ein weiteres Wort um und ging, um sein Schwert zu suchen.
D ie
Errish
überlebte den Tag nicht. Sie starb nicht an den Verletzungen, die sie im Kampf davongetragen hatte und die sich im nachhinein als viel weniger schwer herausstellten, als es im ersten Augenblick den Anschein gehabt hatte, sondern hörte einfach auf zu atmen, kaum eine Minute, nachdem sie das Bewußtsein wiedererlangt und
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