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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Widerwillen zu ignorieren, und löste ihre erstarrten Finger; eine Aufgabe, die seine ganze Kraft erforderte.
    Darunter kam eine fingerlange Phiole aus klarem Glas zum Vorschein, in der wenige Tropfen einer wasserklaren Flüssigkeit glänzten. Ein dünnes Geflecht aus Kupfer umgab sie wie ein Netz, wohl, um sie vor dem Zerbrechen zu schützen, und der Verschluß sah sehr kompliziert aus und stellte wohl die feinste Metallarbeit dar, die Skar jemals gesehen hatte.
    Sehr vorsichtig nahm er die Phiole aus den Fingern der Toten, wog sie einen Moment unschlüssig in der Hand und verbarg sie dann in einer Tasche seines Gürtels.
    Einen Moment lang überlegte er, ob er die Tote mitnehmen sollte, um ihr ein ehrenhaftes Begräbnis zu geben, verwarf den Gedanken aber fast sofort wieder. Es war einfach unmöglich, einen mehr als zentnerschweren Körper durch dieses Labyrinth von Felsen und Schluchten zu tragen, und mit einem Male wollte er es auch gar nicht mehr. Plötzlich war er von keinem anderen Wunsch so erfüllt als dem, so schnell wie nur möglich von diesem entsetzlichen Ort zu verschwinden.
    Trotzdem zögerte er noch einmal, nachdem er sich umgewandt hatte und wieder zum Rand des Felsens gegangen war. Sein Blick huschte über die nachtschwarzen Schatten unter ihm, und für die Dauer eines Lidschlages glaubte er noch einmal, die Sternen-bestie zu sehen.
    Natürlich war sie nicht wirklich da. Diesmal war es nur ein Schatten. Aber Skar spürte ihre Nähe.
    »Wer bist du?« flüsterte er. »Komm heraus und zeige dich, du Ungeheuer! Was willst du von mir?!«
    Aber die Stille schwieg. Nur das verzerrte Echo seiner eigenen, schrill gewordenen Stimme antwortete ihm. In Skars Ohren klang es wie ein höhnisches Gelächter.
    Und vielleicht war es das auch.

E r erzählte Del und Bradburn alles; alles mit Ausnahme seiner neuerlichen Begegnung mit dem
Daij-Djan.
Nicht einmal so sehr, weil ihn die bloße Erinnerung an die gesichtslose Sternen-bestie mit nackter Angst erfüllte, sondern auch, weil er überzeugt war, daß sie für Del und Bradburn und all die anderen keinerlei Relevanz hatte. Was zwischen diesem Ding und ihm war, das ging nur sie beide etwas an. Er wußte noch nicht, was, und er wußte noch nicht, wann und wie, aber irgendwann — und es war nicht mehr sehr lange — würde er ihr endgültig gegenüberstehen und alles erfahren. In der Version, die er Del erzählte, war er auf einen Felsen hinaufgestiegen, um die nähere Umgebung überblik-ken zu können, und hatte dabei die tote
Errish
und ihren Dra-chenvogel entdeckt; eine Geschichte, die allemal glaubhaft genug klang. Vielleicht sogar überzeugender als die Wahrheit.
    Er händigte Bradburn das kleine Glasröhrchen aus, der es sehr sorgfältig in ein Tuch einschlug und dann damit verschwand, um es zu untersuchen. Anschließend sprach er noch wenige Minuten mit Del. Aber es war wie die Male davor — sie spürten beide, daß ihre Unterhaltung wieder einmal auf einen Streit zusteuerte, obgleich sie sich beide alle Mühe gaben, sie auf rein sachliche Belange zu beschränken. Zwischen ihnen war eine Gereiztheit, die so konstant und unabhängig von Sprache und Verhalten war wie ihre frühere Freundschaft. Skar war sehr froh, als Del nach einer Weile erklärte, daß er noch das eine oder andere mit seinen Unterführern zu besprechen hatte, und ging.
    Trotzdem wollte er nicht allein sein, denn Einsamkeit war etwas, das er plötzlich so wenig ertrug wie Dels Gegenwart.
    Nach einer Weile verließ er den Thronsaal und schlug den Weg zum Hof hinunter ein. Aber schon auf halber Strecke machte er kehrt, ging ein Stück zurück und suchte schließlich das Gemach auf, in dem Kiina untergebracht war. Er mochte das Mädchen —nicht so sehr, daß er sich direkt zu ihm hingezogen fühlte, aber doch genug, um seine Gesellschaft der eines fischgesichtigen Quorrl vorzuziehen, oder eines Halsabschneiders, der sich einbildete, Satai zu sein.
    Die Kammer war leer. Kiinas Bett war zerwühlt, aber kalt, und ihre Kleider lagen in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden daneben, zusammen mit dem Scanner und dem zierlichen Schwert, das sie mitgebracht hatte. Skar hob kopfschüttelnd beides auf, warf das Spielzeugschwert auf das Bett und schob die tödliche Waffe unter seinen Gürtel. Sie war wirklich noch ein Kind, dachte er ärgerlich. Man ließ kein Ding einfach herumliegen, mit dem man eine halbe Stadt in Schutt und Asche legen konnte. Er würde ein ernstes Wort mit ihr reden

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