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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gürtel.
    »Rührt es nicht an!« warnte Titch erschrocken.
    »Keine Sorge«, beruhigte ihn Del. »Ich bin vorsichtig.«
    Und das war er in der Tat. Behutsam, unendlich behutsam näherte sich die Messerspitze dem schwarzen Etwas, berührte es flüchtig und zuckte sofort zurück. Nichts geschah. Del zögerte einen Moment, streckte das Messer dann wieder vor und ritzte einen der dickeren Fäden. Der rasiermesserscharfe Stahl zerschnitt die finstere Masse ohne sichtbaren Widerstand, und Skar sah, daß es sich tatsächlich um eine Art Ader zu handeln schien. Ein Tropfen einer farblosen, wasserklaren Flüssigkeit quoll aus dem abgeschnittenen Ende und erstarrte fast sofort.
    »Es scheint... tot zu sein«, murmelte Del.
    Skar nickte. »Ich hoffe es. Aber das hat Bradburn sicher auch gedacht. Sei vorsichtig.«
    Dels Messer schnitt tiefer. Fünf, zehn der dünnen schwarzen Fäden klafften auseinander, ihre Enden hoben sich wie die Leiber enthaupteter Schlangen, dann schnitt der Stahl durch die darunterliegende, schwarze Masse — und durch menschliches Fleisch. Selbst Titch stöhnte wie unter Schmerzen auf.
    »Ihr Götter!« keuchte Del. »Er ist es!« Er hielt einen Moment inne, sah Skar aus schreckgeweiteten Augen an und führte den Dolch dann weiter, wobei er darauf achtete, nur in den schwarzen Kokon zu schneiden, nicht in das, was darunter lag.
    Es war Bradburn, und er war unzweifelhaft tot, denn die Wunden, die Del ihm unabsichtlich zufügte, bluteten nicht. Was nicht hieß, daß er nicht verletzt war; im Gegenteil. Überall auf seinem Körper zeigten sich große, blutige Wunden, aus denen dünne schwarze Fäden oder auch fingerdicke Strünke der gleichen, fürchterlichen Masse herauswuchsen, als hätte das Netz versucht, mit brutaler Gewalt in seinen Leib einzudringen. Skar fühlte ein Entsetzen wie niemals zuvor, und auch Del mußte sein schreckliches Tun zwei- oder dreimal unterbrechen, weil seine Hände einfach zu heftig zitterten.
    Schließlich reichte Skar seine Fackel an Titch weiter und half Del, aber selbst zu zweit brauchten sie fast fünf Minuten, Bradburn aus dem mörderischen Kokon herauszuschneiden. Trotz allem war das Schicksal noch gnädig mit Bradburn gewesen —einer der glänzenden Fäden verschwand in seinem Mund wie eine schreckliche schwarze Zunge, aber seine Augen waren unverletzt, und zumindest dem Ausdruck auf seinem erstarrten Gesicht nach zu schließen schien er keine sehr großen Schmerzen gehabt zu haben, als er starb.
    »Seid vorsichtig!« warnte Titch noch einmal. »Rührt es nicht an!«
    »Es ist tot«, versicherte Skar. »Sieh selbst.«
    Tatsächlich schien weder in dem Netz noch in dem darunterliegenden schwarzen Kokon noch Leben zu sein — im Gegenteil: Auf seiner Innenseite waren große, feuchte Flecken, die Skar an verwesendes Fleisch erinnerten und auch so rochen, und ein Teil der schwarzen Masse war zu porösem Grau geworden, das sich in Staub verwandelte, als Del es mit der Messerspitze berührte. »Es ist tot«, wiederholte er noch einmal. »Es hat ihn umgebracht, aber es ist selbst dabei gestorben.«
    »Nein«, verbesserte ihn Del. »Er hat es getötet. Sieh doch.«
    Er deutete mit der Messerspitze auf Bradburns rechte Hand, und als Skar sich vorbeugte, erkannte er, was Del meinte. Bradburns Hand war völlig frei von der schwarzen Masse, und auch die Fäden, die seinen Arm hinabgekrochen waren, sahen grau aus oder wirkten verdorrt, wie verbranntes Wurzelwerk. Etwas Kleines, Glänzendes blitzte in Bradburns geschlossener Faust.
    Die Finger des Toten waren noch nicht erstarrt, so daß es Skar leicht fiel, sie mit der Spitze seines Messers auseinanderzubiegen. Erstaunt blickte er auf das herunter, was auf Bradburns ausgestreckter Handfläche zum Vorschein kam: Es war ein kleiner, tropfenförmiger Knopf aus gelblichem Kristall, der von einem unendlich feinen kupfernen Netz umgeben war. Behutsam drehte er ihn mit der Messerspitze ein paarmal herum, um sich davon zu überzeugen, daß ihm auch nicht der kleinste Partikel der schwarzen Masse anhaftete, streckte die Hand aus, um ihn aufzuheben, und zog die Finger dann im letzten Moment wieder zurück. Er sah sich suchend im Zimmer um, gewahrte einen schwarzen Stoffetzen ein Stück hinter sich und wickelte den Kristallstein darin ein, ehe er ihn aus Bradburns Hand nahm.
    »Was soll das?« fragte Del stirnrunzelnd.
    »Das ist der Verschluß der Kristallphiole«, antwortete Skar. »Hast du vergessen, was Bradburn über ihren Inhalt

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