Enwor 9 - Das vergessene Heer
Unterarm färbte sich da, wo er noch nicht von der tödlichen Fäulnis befallen war, weiß. Seine Haut begann zu prickeln.
»Warte«, sagte sie, als er zurücktreten wollte. Ohne Kiina zu beachten, die aufgehört hatte zu schreien, sich aber noch immer aus Leibeskräften in Titchs Griff wand, zog sie das Schwert des Quorrl aus der Scheide und legte die Waffe ins Feuer. Skar sah, wie die Klinge schwarz wurde und sich dann binnen weniger Augenblicke rot zu färben begann. Plötzlich hatte er Angst.
»Ich habe nichts, was ich dir gegen die Schmerzen geben könnte«, sagte sie. »Höchstens…« Sie streckte die Hand aus und berührte sanft eine Stelle in seinem Nacken, aber Skar schüttelte den Kopf, als sie ihn fragend ansah. Vielleicht waren es seine letzten Sekunden. Er wollte sie nicht verschenken, gleich, wie qualvoll sie sein mochten.
Er sah noch einmal Titch an, und obwohl er kein Wort sagte, verstand der Quorrl die stumme Bitte in seinem Blick, und beantwortete sie mit einem Nicken. Er würde Kiina mit sich nehmen, so oder so.
Skar trat zurück, zog das
Tschekal
aus der Scheide und streckte den linken Arm aus, so weit er konnte. Jella bückte sich zum Feuer, umwickelte den Griff von Titchs Schwert mit einem Zipfel ihres Mantels und hob die Waffe aus den Flammen. Die Klinge glühte in mattem Rot.
Kiina schrie auf, als hätte er ihr die Klinge in den Leib gestoßen, als er das Schwert hob.
A lptraumgeplagte Fieberträume wechselten sich mit kurzen Perioden ab, in denen er wach war, aber niemals völlig. Wie er später erfuhr, hatte es doch noch etwas gegeben, was die junge
Errish
für ihn tun konnte: ein betäubendes Pulver, das Kiina in sein Wasser mengte und ihm die schlimmsten Schmerzen ersparte, es ihm allerdings auch verwehrte, während der nächsten drei Tage
wirklich
aufzuwachen, so daß er sich an den Weg in den Norden nur verschwommen erinnerte.
Im Grunde war alles, worauf er sich wirklich besann, ein beständiger, pochender Schmerz in seiner gesamten linken Körperhälfte, der mal mehr, mal weniger schlimm war, allerdings niemals völlig erlosch, nicht einmal wenn er schlief, und das Gefühl, zu schweben, was nun allerdings einen höchst realen Grund hatte: Gegen seinen ausdrücklichen Willen hatten Titch und Kiina beschlossen, für zwei, drei Tage in der verfallenen Festung am Rande des Tales zu bleiben, bis er das Schlimmste überstanden hatte. Aber schon am nächsten Morgen meldete die zur Wache abgestellte
Errish
das Herannahen einer großen Anzahl Berittener, die von einer jener gigantischen Tyrannenechsen begleitet wurden, wie Skar und Titch sie in der Nähe Elays gesehen hatten. Offensichtlich verließ sich Ian nicht ganz so auf die tödliche Wirkung des Silberbandes, wie sie gehofft hatten, so daß sie gezwungen waren, ihre Flucht in aller Hast fortzusetzen. Jella und ihre Mädchen wandten sich nach Westen, wie er befohlen hatte, während Titch und Kiina den fiebernden Skar auf dem Rücken der größten Daktyle festbanden und ihren unterbrochenen Flug in den Norden fortsetzten.
Einen schwächeren Mann als Skar hätte die Reise umgebracht, denn obwohl Jella die Wunde sofort ausgebrannt hatte, hatte er sehr viel Blut verloren, und dazu kam das Gift, das noch immer in seinem Körper wühlte; nicht mehr so grausam und schnell wie vor ihrem unfreiwilligen Aufenthalt im Turm der Zauberpriester, aber unerbittlich. Später erzählte ihm Kiina, daß er geschrien und um sich geschlagen hätte wie ein Rasender, so daß es selbst Titch manchmal schwergefallen war, ihn zu bändigen. Skar spürte, daß er dem Tod diesmal sehr nahe gewesen war; näher als jemals zuvor. Aber an all dies entsann er sich nur nebelhaft, als er am vierten Morgen nach ihrer Abreise das erste Mal
wirklich
erwachte.
Er war allein, und er fror, das waren die ersten Eindrücke, die er hatte, und beide waren sehr intensiv. Der Schmerz in seinem linken Arm war noch da, aber viel schlimmer war der Biß der Kälte, die sich wie eisiges Glas an seine Haut schmiegte. Es war nicht mehr völlig dunkel, aber auch noch nicht richtig hell, und aus irgendeinem Grund wußte er, daß es die Dämmerung des Morgens war, nicht der Sonnenuntergang.
Wo war er?
Skar setzte sich auf, mit vorsichtigen, kleinen Bewegungen, ohne den linken Arm zu belasten und jederzeit auf wütenden Schmerz gefaßt.
Aber er kam nicht. Das Pochen in seiner linken Seite ließ nicht nach, aber es wurde auch nicht schlimmer. Er unterdrückte den Impuls, die Decke beiseite
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