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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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auf mich zu. Mit einem Sprung wich ich ihnen aus und sie prallten, miteinander ringend, gegen die Haremsmauer.
    Ich fuhr herum, um es mit dem Soldaten aufzunehmen. Die Wirkung meines Schlags ließ bereits wieder nach. Er zog sein Messer und blinzelte, um mich wieder deutlich zu sehen, und ich spannte kampfbereit die Muskeln und konzentrierte mich ganz auf seine Klinge.
    »Kein Messer!«, keuchte der alte Eunuch, der auf dem Boden lag. »Er lässt uns töten, wenn Ihr die zwei verwundet.«
    Der Soldat zögerte. Mehr brauchte ich nicht, um ihm das geborstene Ende der Laute oberhalb der Rüstung seitlich in den Hals zu stoßen. Das scharfkantige Holz bohrte sich durch Fleisch und Adern und dabei brach es in der Mitte entzwei. Ein Blutstrahl schoss in hohem Bogen durch die Luft; der Soldat würgte und hieb wild nach mir, und als ich zurücksprang, traf er mich am Unterarm. Durch den Schwung, den ich hatte, fuhr mir die Klinge tief und schmerzhaft ins Fleisch, sodass auch ich heftig zu bluten begann. Vor meinen Augen explodierten Tausende stecknadelkopfgroße Lichtpunkte. Ich taumelte mit dem Rücken gegen die Haremsmauer, die mir vorkam wie ein Ankerplatz in dem grau wirbelnden Dunst, der mit einem Mal um mich herum war.
    Eine dunkle Gestalt erhob sich vom Boden und griff mich an. Der alte Eunuch? Ich hieb mit der Faust nach ihm, doch unvermittelt war er verschwunden. Dann hörte ich Muskeln und Knochen dumpf gegen die Ziegelmauer krachen und ein leises, ersticktes Stöhnen. Ich kauerte mich an die Wand und nahm nur dunkle Umrisse und das Geräusch von Bewegungen wahr. Mein ganzer Arm brannte und pochte vor Schmerz.
    »Ist sie in Ordnung?« Das war Vidas Stimme.
    Ein Umriss ragte in meinen Nebel. Instinktiv schlug ich wieder danach und meine Finger kratzten über Haut.
    »Alles in Ordnung, Eona.«
    Jemand packte mich am Handgelenk und hielt mich fest. Der graue Nebel lichtete sich und verwandelte sich in Delas schemenhaftes Gesicht. Ich atmete erleichtert auf.
    »Zeigt mal her.« Dela zog meinen Arm hoch, den ich an den Oberkörper angelegt hatte, und wir begutachteten gemeinsam die klaffende Wunde zwischen Ellbogen und Handgelenk, die sich sofort mit Blut füllte. »Ich hab schon Schlimmeres gesehen«, sagte sie mit beruhigendem Lächeln, doch in ihren Augen stand Sorge. »Seid Ihr sicher, dass Ihr Eure Heilkraft nicht einsetzen könnt?«
    »Das würde die zehn Drachen auf den Plan rufen – wie in dem Fischerdorf.« Ich atmete tief und bebend durch. »Wenn ich Ido heile, dürfte die Macht auch mich heilen.«
    So hoffte ich jedenfalls.
    Dela riss rasch einen Streifen Stoff von ihrem Gewand, faltete ihn zu einer Bandage, presste sie auf die Wunde und knotete sie mit den Enden fest. Durch den Druck schmerzte mein Arm noch heftiger. »Gut festhalten«, sagte sie.
    In der Nähe hielt Vida den jüngeren Eunuchen mit vorgehaltenem Messer in Schach, damit er sich nicht von der Tempelwand wegbewegte. Vor den beiden lag die zusammengesackte Gestalt des Soldaten. Um die Lage auszuspähen, schlich Dela erst den Weg zurück, den wir gekommen waren, und sondierte dann die Lage in der anderen Richtung.
    »Die Luft ist rein«, flüsterte sie und bückte sich zu dem Wächter.
    »Ist er tot?«, fragte ich, doch der beißende Gestank nach Urin und Fäkalien hatte meine Frage schon beantwortet.
    »Ja.« Dela erhob sich und ging zu dem älteren Eunuchen. »Der auch.« Sie packte den Diener unter den Achseln, zog ihn tiefer in eine dunkle Ecke und rollte ihn an die Ziegelmauer. »Wir müssen hier weg. Dieser Durchgang wird zu oft benutzt.«
    Trotz meiner dröhnenden Kopfschmerzen und der stinkenden Gegenwart des Todes versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Wir mussten es zum Pavillon der Herbstlichen Gerechtigkeit schaffen, denn auf dem Gelände dort lagen die Kerkerzellen. Mit geschlossenen Lidern vergegenwärtigte ich mir erneut den Grundriss des Palastes. Am schnellsten würden wir über den Vorplatz der Kaisergemächer dorthin gelangen, doch der war hell erleuchtet und gut bewacht. Vor meinem inneren Auge tauchte eine andere Möglichkeit auf: der Gang für die Dienerschaft, der an der gesamten Palastmauer entlangführte. Ein verborgener Weg, den die Lakaien benutzten, ohne gesehen zu werden. Und er wurde nie bewacht.
    »Der Dienstbotengang ist der sicherste Weg«, sagte ich. »Zu dem gelangen wir hinter den Kaisergemächern. Oder wir gehen vorn um den Westtempel herum und schleichen uns am Küchenbereich entlang.«
    »Überall

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