Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
Ende des Gangs, und die Schlüssel klirrten, als sie einen ins Schloss schob.
    Dela schleppte mich an drei leeren Zellen vorbei und die offenen Türen warteten auf Frischfleisch wie dunkle Mäuler. Der Gestank schien in die Mauern ringsum eingezogen zu sein, und der leichte Luftzug, den wir durch unsere Bewegungen verursachten, roch wie fauliger Atem. Als wir bei Vida ankamen, drückte sie gerade Idos Zellentür auf und hielt die Lampe hoch.
    Er lag an der gegenüberliegenden Wand. Nackt und ausgemergelt kauerte er dort, die Stirn in die gefesselten Hände gelegt. Seine Brust hob und senkte sich nur langsam und er atmete mühsam, doch er rührte sich nicht. Man hatte ihn kahl geschoren und die beiden einst so gepflegten Drachenaugenzöpfe waren nur mehr verfilzte Stacheln. Sein für uns sichtbares Auge war zugeschwollen und seine früher so markanten Wangen und sein Kiefer waren nur noch eine dunkle Masse aus Blut und Wunden. Auch seine Nase war gebrochen und nicht mehr lang, schmal und von edler Form, sondern zerschmettert und geschwollen. Doch die schlimmsten Verletzungen waren an seinem Körper. Jemand hatte seinen Rücken, die Beine und Fußsohlen mit einem Stock traktiert und sich nicht damit zufrieden gegeben, ihm Haut und Muskeln zu zerfetzen. Die freiliegenden Knochen und Sehnen an seinen Schultern fingen das Licht ein wie Splitter von Perlen.
    »Wie hat er das überleben können?«, flüsterte Vida.
    Ein Bild des Rattendrachen – eines bleichen, gequälten Rattendrachen – kam mir in den Sinn. Erhielt das Tier ihn am Leben?
    Vida hielt sich die Nase zu und führte uns in die Zelle. Dem Geruch nach musste der Eimer in der Ecke der Nachttopf sein. Einen grellen Kontrast dazu bildete der elegante Tisch mit vier drachenförmig geschnitzten Beinen an der linken Wand, auf dem eine Porzellanschüssel stand, deren edler Goldrand mit dunklem Schleim verkrustet war. Daneben lagen scharfe Metallgegenstände durcheinander, über die mein Blick hinweghuschte, die mich aber dennoch frösteln ließen. Ein zur Hälfte blutbefleckter Bambusstock lag auf dem Boden neben einem Wassereimer.
    Vida stellte die Lampe bei Ido ab und Dela setzte mich so hin, dass ich neben ihm hockte. Erst jetzt fiel mir auf, dass sein Bart verschwunden war. Dies und sein noch kaum nachgewachsenes Haar ließen sein Gesicht eigenartig jung wirken. Vida schnappte entsetzt nach Luft, als im Lampenlicht neue Verwundungen auftauchten. Die gefesselten Füße waren gebrochen – ihr feiner Knochenfächer war zerschmettert und ragte durch die Haut –, und man hatte ihm ein großes Schriftzeichen in die Brust geritzt: Verräter . Ich lehnte mich neben ihm mit dem Rücken an die Wand. Wie sollte ich so entsetzliche Wunden heilen, wenn ich so schwach war?
    »Er wird etwas zum Anziehen brauchen«, sagte Dela angespannt. »Ich hol die Sachen des Wächters.« Sie drückte meine Schulter. »Beeilt Euch. Das hat selbst Ido nicht verdient.«
    In der anderen Ecke der Zelle nahm Ryko die Schüssel, roch daran und stieß sie mit einer Grimasse weg. »Schwarzer Drache.«
    Verständnislos sah ich zu ihm hoch. Vida kam herbei, roch ebenfalls an der Schüssel und nickte bestätigend.
    »Dieses Zeug lässt das Blut gerinnen«, sagte sie. »Bestimmt ist er deshalb nicht verblutet.«
    »Und das ist nicht die einzige Wirkung.« Ryko stellte die Schüssel wieder auf den Tisch. »Ich habe gesehen, wie es angewandt wurde, um Schmerzen zu steigern und Menschen in den Wahnsinn zu treiben.« Der Insulaner hatte mehr Grund als irgendjemand sonst, Ido zu hassen, denn das Drachenauge hatte ihn gefoltert, doch in seiner Stimme lag fast so etwas wie Mitleid. »Wenn sie ihm das gegeben haben, weiß er nicht mehr, was wirklich ist und was nicht.«
    Ich betrachtete Lord Idos zerschundenes und schweißbedecktes Gesicht. Wenn er nicht unterscheiden konnte zwischen Wirklichkeit und Albtraum, wäre er nicht in der Lage, die zehn beraubten Drachen im Zaum zu halten.
    »Wir müssen ihn wecken«, sagte ich und meine Panik schlug um in einen verzweifelten Energieschub. »Er muss wach sein.«
    Ich nahm seine Hand. Sie war noch kälter und klammer als meine.
    »Lord Ido?«
    Keine Reaktion. Ich rüttelte seinen kalten Arm.
    Nicht einmal ein Flattern der Lider.
    »Lord Ido.« Ich rüttelte ihn fester. »Ich bin es, Eona.«
    Nichts. Eine schlichte Berührung und ein Rufen konnten ihn längst nicht mehr wecken. Drastischere Maßnahmen waren nötig, weitere Grausamkeit. Der Gedanke, ihm noch mehr

Weitere Kostenlose Bücher