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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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hinter uns und warf die Arme über unsere Schultern. Diese Umarmung einer betrunkenen Freundin war zugleich ein Schild für meinen blutigen Arm.
    Nun waren wir drin. Kaum hatte sich die Holztür hinter uns geschlossen, ließ die ungeheure Erleichterung mich taumeln. Dela packte mich am Oberarm und zog mich an sich, um mich zu stützen. Ich vergaß nicht, zu kichern, doch in meinem Bauch saß die kalte Angst. Ido war so nah … und ich konnte kaum mehr allein stehen. Hatte ich genug Kraft, um ihm zu helfen? Oder wenigstens mir?
    »Ein paar Regeln.« Die barsche Stimme gehörte einem gedrungenen Mann mit ausgeprägtem Unterkiefer, der hinter einem Schreibtisch in der Ecke der kleinen Kammer saß. Alles an seinem Gesicht – Mund, Nase und sogar die Lider – war ungemein dick und wirkte wie aufgequollen. »Ihr dürft nur durch die Gitterstäbe in der Tür sehen. Und immer nur zwei auf einmal. Kapiert?«
    Ächzend stemmte er sich von seinem Stuhl hoch und griff nach einer Lampe, die an einem Haken hinter ihm an der Wand hing – eine von zwei hübschen Bronzelaternen, die schönes Licht auf die geordnete Sammlung von Schriftrollen und Stiften und auf den tief ausgehöhlten Tintenblock warfen. Nahebei glühten Kohlen in einem kleinen Keramikofen, doch der bittere Geruch nach angebranntem Reis und zu lange gezogenem Tee konnte den anderen Geruch, bei dem sich mir der Magen umdrehte, nicht überdecken: den sauren Gestank des Leidens.
    Er hielt die Lampe nah an sein Gesicht und das gelbe Licht betonte seine vorspringende Nase und seine wulstigen Lippen. »Durch die Gitterstäbe in der Tür. Und immer nur zwei auf einmal. Kapiert?«
    »Kapiert«, sagte Yuso. »Gibt es hier noch andere interessante Gefangene?«
    »Nein, der hat den ganzen Laden für sich«, sagte der Wächter. »Für so ein Drachenauge ist schließlich das Beste gerade gut genug, was?« Er hielt Vida die Lampe hin. »Halt die bitte für mich, meine Liebe, während ich euch reinlasse.«
    Mit einem bezaubernden Lächeln nahm sie die Lampe und folgte ihm zu der massiven inneren Tür. Yuso wich den beiden aus und der Wächter hakte einen Ring mit schweren Schlüsseln von seinem Gürtel los und hielt sie so ins Licht, dass das polierte Messing in seinen dicken Fingern funkelte.
    »Mit dem hier kommt man sogar in seine Zelle«, sagte er leise. »Wenn ihr zusätzliches Geld lockermacht, könnt ihr ihn euch vielleicht genauer anschauen.«
    Hinter ihm fiel mir ein matterer metallischer Schimmer ins Auge: Yusos Klinge, die lautlos aus ihrem Futteral glitt.
    »Das würde mir gefallen«, sagte Vida und wich auf eine Kopfbewegung des Hauptmanns hin sachte einen Schritt zurück.
    Der Wächter steckte den Schlüssel ins Schloss. »Mir auch.« Er lachte leise, als der Verschluss klickte und die Tür aufschwang. »Gebt mir einfach Bescheid und –«
    Brutal schnell schlang Yuso ihm den Arm um den Leib und stieß ihm das Messer tief ins Kreuzbein. Der Mann bäumte sich auf und warf den Kopf in den Nacken, sodass sein Schrei erstickte. Yuso zog die blutige Klinge heraus, hob sie erneut und rammte sie ihm von oben in die Brust. Man hörte nur den dumpfen Laut, als der Schwertgriff richtig saß, und ein ganz leises, feuchtes Röcheln. Dann sackte der Mann leblos gegen Yuso.
    Ich atmete lang und zitternd aus und merkte erst da, dass ich die Luft angehalten hatte. Ryko war mit gezücktem Messer herumgefahren, um den Eingang zu sichern. Doch die Tür ging nicht auf; keiner der Wächter draußen hatte die gedämpften Laute des Todes vernommen.
    Yuso legte die Leiche auf den Boden und zog sie von der inneren Tür weg. Als er sich zu uns umsah, loderte die Gewalt noch immer in seinen Augen.
    »Vorwärts«, befahl er.
    Vida riss den Schlüsselring aus dem Schloss, stieg die niedrige Treppe hinunter und hielt dabei die Lampe hoch, um unseren Weg zu beleuchten. Ich wollte ihr nachgehen, doch meine Knie gaben nach und nur Delas schnelle Reaktion bewahrte mich vor einem Sturz.
    »Ich hab Euch«, sagte sie. »Stützt Euch einfach auf mich.«
    Zusammen taumelten wir die Stufen hinab in einen steinernen Korridor. Vor uns zeigte Vidas Lampe in einen schmalen, abwärts führenden Gang mit niedriger Decke. Der Gestank nach menschlichem Leid – Schweiß, Erbrochenes, Blut – schnürte mir die Kehle zu, und irgendein urtümlicher Teil in mir wehrte sich dagegen, dort hinunterzugehen.
    »Heilige Götter, so ein Gestank«, sagte Ryko hinter uns.
    »Hier! Er ist hier drin«, rief Vida vom anderen

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