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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Bernsteinaugen glitten Silberfäden. Hatte er meine Gegenwart gespürt? Doch ein Ruf vom Hof her lenkte ihn ab. Die Truppen rückten vor. Ido trat durch das Loch in der Zellenmauer – wir Übrigen folgten ihm dichtauf –, und mit erhobener Hand verwandelte er die leichte Brise in einen heftigen Sturm, der den Staub in riesigen Wirbeln aufsteigen ließ, Wirbeln, die unsere dicht gedrängte Gruppe umkreisten, ohne uns zu berühren, und deren heulende Gewalt mit jedem Schritt zunahm, den wir in Richtung der Truppen machten.
    Kaum hoben einzelne Soldaten ihr Ji, entriss der Sturm es ihnen und durchbohrte ihre Hintermänner. Wir schritten auf die Gegner zu, während der heulende Wind die Leichen zwischen die Lebenden schleuderte, deren Kampflinie sich auflöste, nicht nur wegen des Schreckens, sondern auch wegen der Verheerungen, die die menschlichen Geschosse anrichteten. Diejenigen, die standhaft blieben, fegte es rückwärts, bis sie wie ein Rammbock in ihre Kameraden oder gegen die Mauern der Kaserne krachten. Kiesel zerfetzten den Soldaten die Haut, und die Schreie der Männer gingen im Sturmgebraus unter.
    Wie konnte ich den Willen eines Menschen von so gewaltiger Macht beherrschen?
    Als wir am Pavillon der Herbstlichen Gerechtigkeit vorbeigingen, versetzte Ido die Erde zu beiden Seiten mit einer knappen Geste in Bewegung. Der Boden hob sich unter der nächsten Welle aus Soldaten, doch dann spritzten die Kiesel unter den anstürmenden Männern auf, stiegen in die Luft und regneten dröhnend auf ihre Köpfe nieder. Vida packte mich am Arm und wandte den Kopf ab, als die großen Öllampen eine nach der anderen über einer weiteren Soldatenreihe zerbrachen und die Feine in Brand setzten; sofort peitschte der Wind die Flammen über die ölbespritzten, schreienden Männer.
    Auf dem Weg zur Palastmauer sah ich Soldaten um die hintere Ecke der Gardistenkaserne kommen. Auch Ido erblickte sie. Mit einer Handbewegung ließ er den Sand der Übungsarena aufwirbeln. Ich duckte mich, obwohl ich wusste, dass die bleiche, pfeilschnell über unsere Köpfe hinwegwehende Wolke uns nicht streifen würde. Sie traf die Männer wie tausend winzige Messer, schliff ihnen die Haut ab und erstickte ihre Schreie. Hinter mir hörte ich Ryko entsetzt aufstöhnen.
    Vor uns zerbarst ein Abschnitt der Palastmauer, Staub wirbelte auf, doch Ido verlangsamte seinen Schritt nicht. Wir kletterten ihm nach durch das Loch und über die Trümmer auf dem Reitweg und bezwangen dabei den Drang, in wilder Flucht vor der tosenden Verheerung hinter uns davonzulaufen.
    Nun lagen die abgesteckten Wege und die gepflegten Haine des Smaragdgrünen Rings vor uns, üppig angelegte Gärten, die den Palast vom Kreis der zwölf Drachenhallen ringsum trennten. Wir waren beim Glücksfroschteich herausgekommen, dessen berühmter Froschpavillon sich aus dem goldenen Wasser erhob wie ein kleiner Tempel. Der brennende Palast ließ das Wasser glutrot glänzen und in den feuchten Edelsteinaugen der im Teich hockenden Frösche spiegelten sich die Flammen. Dahinter führte ein Vollmondtor in einen geharkten Garten, wo der bleiche Kies im rötlichen Licht glomm wie ein Pfad aus Gold.
    Ryko schob zwei Finger in den Mund und stieß mehrere gellende Pfiffe aus, die sogar durch das krachende und schreiende Chaos hinter uns hindurchdrangen. Aus einem Zypressengehölz tauchten rechts die tiefschwarzen Silhouetten von Männern und Pferden auf. Als ich das bleiche, scheckige Fell von Ju-Long sah, machte mein Herz einen Sprung. War Kygo bei diesen Männern? Doch das würde er sicher nicht wagen.
    »Der Glücksgott ist mit uns«, flüsterte Vida.
    »Der hat nichts damit zu tun«, sagte Ido und seine Stimme war ganz rau vor Müdigkeit. »Ich habe das Hua dieser Männer durch die Augen meines Drachen gesehen.«
    Er führte uns am Teich entlang zu ihnen. Die Umrisse erwiesen sich als der drahtige Caido und vier seiner Männer, die vollauf damit beschäftigt waren, die Pferde zu bändigen. Kygo war nicht unter ihnen: Er hatte Ju-Long für unsere Rettung zur Verfügung gestellt. Den Tieren war der Geruch nach Feuer und nach verbranntem Fleisch in die Nase gestiegen und alle sechs wehrten sich dagegen, näher an den Palast gebracht zu werden.
    »Führt sie zurück, bis sie sich beruhigt haben«, befahl Caido mit einer Dringlichkeit, die seiner Sprachmelodie die Beschwingtheit des Gebirgsbewohners nahm.
    Die Männer wendeten die Pferde und führten sie weiter in die Gärten hinein. Caido schritt

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