EONA - Das letzte Drachenauge
Kopf?«
»Nicht immer. Nur wenn ich der Perle zu nah bin.«
»Sie ist da, wenn wir uns küssen?« Er griff sich an den Hals. »Wenn Ihr die Perle berührt?«
»Ja.«
Seine Stimme wurde hart. »Kommt alles, was zwischen uns ist, nur daher, dass Kinra Euch zu der Perle treibt?«
»Nein!« Ich trat auf ihn zu. »Meine Gefühle für Euch kommen aus mir selbst. Ich schwöre es.«
»Und was ist mit mir, Eona?«, fragte Ido. »War es eine Vorfahrin oder wart Ihr es, die in der Kajüte die Beine um mich geschlungen hat?«
Kygo starrte auf ihn hinab. »Was?«
»Sie hat Euch nie von meinem Besuch in ihrer Kajüte erzählt, oder?«, fragte Ido.
»Kygo, das war nicht –«
Ido übertönte mich. »Wir haben Eonas Macht, mich zu zwingen, dazu benutzt, das Schiff vor dem Zyklon zu retten.« Sein Lächeln war voller Hohn. »Ihr kennt die Macht, von der ich rede, Majestät.«
»Ist das wahr, Eona?« Kygos Stimme klang abgehackt.
»Wir haben das Schiff gerettet.«
»Hat er Euch Lust verschafft?«
Ich errötete. »Nicht er, sondern die Macht, Kygo. Ich weiß, dass Ryko Euch davon erzählt hat. Wir haben das Schiff gerettet – nur das zählt.«
»Und wenn sie Lust empfunden hat!«, rief Ido. »Sie ist Herrschendes Drachenauge, nicht eine von Euren Konkubinen. Sie nimmt sich, was sie will. Das ist ihr gutes Recht.«
»So war es nicht!« Ich ballte die Fäuste. »Die Macht hat mir Lust verschafft, aber ich habe keine Lust gesucht.«
»Versteckt Euch nicht hinter Eurer Macht«, sagte Kygo, »denn Ihr benutzt sie für Eure eigenen Zwecke. Für Eure eigene Lust.«
»Nein! Ich habe meine Macht immer in Euren Dienst gestellt. Das ist die Wahrheit, und das wisst Ihr auch.«
Seine Miene verhärtete sich ungläubig.
Es gab einen Weg, ihm zu beweisen, dass ich loyal war.
Ich wies mit dem Finger auf das blutige Gemetzel in der Ferne. »Das schwarze Buch kann meine Macht beherrschen.«
»Eona, was tut Ihr da?« Ido erhob sich halb von den Knien, doch die Klinge hielt ihn zurück. »Ihr werdet uns vernichten.«
Ich achtete nicht auf seinen Einwand. »Jeder von königlichem Blut kann damit den Willen eines Drachenauges binden.«
Kygo ließ das Schwert von Idos Kehle sinken. »Was?«
»Euer Blut und das Buch können unsere Macht bezwingen.« Meine Stimme brach.
Er ließ Ido los. Das Drachenauge sackte zusammen und schnappte gierig nach Luft. Ich konnte die Kälte in Kygos Miene nicht ertragen.
»Seit wann wisst Ihr das?«, fragte er.
»Ich habe es ihr gesagt, als Sethon den Palast einnahm«, rief Ido wütend. »Und das soll Euer Wahrheitsbringer sein! Euer Naiso!«
»Warum habt Ihr mir das nicht erzählt, Eona?«, wollte Kygo wissen.
Endlich schaute ich zu ihm hoch. »Und Ihr ? Warum habt Ihr mir nichts vom ›Hua Aller Menschen‹ erzählt?«
Wir sahen einander in die Augen und der gleiche Grund erstreckte sich zwischen uns wie eine Ödnis: Keiner von uns beiden hatte genug Vertrauen, um die eigene Macht in die Hand des anderen zu legen.
Kygo wandte den Kopf ab. »Und Ihr habt all diese Macht in Reichweite von Sethon gebracht, mitten in sein Heerlager.«
Bei seinen Worten hatte ich das Gefühl, zu einer hohlen, halben Hülse zu werden. Er wollte nur das Buch und dessen Macht. Ich atmete bebend ein und kämpfte mit den Tränen. Ido hob den Kopf und in seinem ausgezehrten Gesicht lag etwas Selbstzufriedenes. Er hatte recht gehabt: Macht strebte stets nach noch mehr Macht. Das lag in ihrer Natur.
»Sethon kann Dillon nicht aufhalten«, sagte das Drachenauge gepresst. »Der Junge benutzt das Righi .«
Kygo straffte die Schultern. »Was ist das Righi?«
»Der Todesgesang des schwarzen Buches. Er zieht alle Flüssigkeit aus dem Körper eines Menschen und verwandelt ihn zu Staub.«
»Und das widerfährt den Männern da unten?« Kygo berührte den Blutring an seinem Finger. »Möge Bross uns schützen.«
»Selbst Bross hätte Schwierigkeiten, ihn aufzuhalten«, versetzte Ido.
Ich sah auf die rote Schneise von Dillons Todesmarsch. Er war wegen uns gekommen. Wir mussten ihm entgegentreten oder er würde alles töten auf seinem Weg – auch die gesamte Widerstandsarmee. Seine Macht trieb mir bei jedem Herzschlag einen Dorn ins Hirn. Wie sollten wir einen Wahnsinn besiegen, der getrieben war von Hass und genährt von der unermesslichen Macht des schwarzen Buches? Selbst wenn uns das gelänge und wir Dillon das Buch aus dem Geist und aus den Händen reißen könnten, was würde dann geschehen?
Ich sah Kygo an. Er
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