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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Brettern. Alles, was ich unter mir sah, waren eine nur schwach beleuchtete Wand und der Fußboden der Diele. Diejenigen, die da gerade miteinander sprachen, waren nicht in meinem Blickfeld und sie waren zu weit weg, als dass ich ihre Worte hätte verstehen können. Sollte ich es wagen, zur Treppe zu schleichen und dort zu lauschen? Dela wäre wütend, wenn sie erfahren würde, dass ich das Zimmer verlassen hatte. Aber es bestand keine wirkliche Gefahr – ich konnte mich schnell in Sicherheit bringen, wenn jemand die Treppe heraufkam. Und womöglich würde ich etwas Nützliches mitbekommen, statt bloß auf die Rückkehr der anderen zu warten.
    Ich raffte meinen Rock, stand auf und schob die mit Papier bespannte Tür vorsichtig auf. Auf dem Gang war die Luft rein. Während ich behutsam auf den oberen Treppenabsatz zuschlich, kristallisierte sich aus einer der gedämpften Stimmen Haddos scharfer Befehlston heraus.
    »… und ich muss meine Vorräte an Reis und Salzfisch auffüllen. Genau wie neulich.«
    »Für die letzte Lieferung habe ich noch immer kein Geld bekommen.« Das war der Gastwirt, und sein Ton steigerte sich zu gereiztem Jammern.
    »Bei unserer nächsten Gebirgsüberquerung werdet Ihr bezahlt«, erwiderte Haddo. »Im Moment sind hungrige Männer mein Problem – also stellt uns Vorräte bereit. Wir rücken im Morgengrauen aus.« Er hielt kurz inne. »Sagt mal, wisst Ihr, wo der Kaufmann ist, der mit uns ankam?«
    »Ich denke, der überzeugt sich davon, dass es seinen Tieren im Stall gut geht. Warum? Ist etwas nicht in Ordnung? Die bringen doch nicht noch mehr Pech, oder? Ich habe ihnen auch mein bestes Zimmer gegeben.«
    »Keine Sorge, das Unglück der Dame färbt bestimmt nicht auf Euch oder auf Euer Wirtshaus ab.« Der Leutnant klang spöttisch. »Ich will ihnen nur anbieten, sie auch morgen zu eskortieren. Die Tür da führt in den Stallhof, nicht? Oder muss ich außen herumgehen?«
    Mein Herz schlug schneller. Falls Haddo nun hinausging, entdeckte er vielleicht Ryko. Ich versuchte zu schätzen, wie viel Zeit seit dem Weggehen von Dela und Vida vergangen war – noch nicht einmal eine Viertelstunde. Gut möglich, dass sie noch dabei waren, Ryko zu befreien. Diese Gefahr konnten wir nicht eingehen; schon ein flüchtiger Blick auf den Insulaner würde uns alle verraten. Ich musste Haddo aufhalten. Mit wenigen kurzen Schritten stand ich am oberen Treppenabsatz, war mir Delas Mahnung dabei aber sehr genau bewusst. Sie hatte recht. Ich konnte nicht hinuntergehen; keine ehrbare Frau würde sich von sich aus zwei Männern nähern. Ich durfte nicht aus der Rolle fallen.
    »Ich sage nur, dass sie alle Anzeichen von Verrücktheit hat«, sagte der Gastwirt gerade. »Ich habe viele gesehen, die zum See der Mondfrau gegangen oder von dort gekommen sind, und manche werden nicht mehr gesund. Er täte besser daran, sie zurück zu ihren Eltern zu bringen und sich eine neue Frau zu nehmen, die ihm einen gesunden Sohn gebären kann.«
    Ich umklammerte den Handlauf. Seine schroffen Worte gaben mir plötzlich eine verzweifelte Idee ein.
    »Nicht so laut, Mensch«, zischte Haddo und sprach selbst leiser. Ich musste mich anstrengen, um seine nächsten Worte zu verstehen. »… so schnell wie möglich zum See der Mondfrau zu bringen. Bei meiner Frau hat es geholfen.«
    »Ich wollte nicht respektlos sein«, versetzte der Gastwirt eilig. »Eure Frau gehört zu den Gesegneten. Und vielleicht wird es auch bei diesem Mädchen so sein. Geht nur durch die Tür, sie führt in den Hof. Der Kaufmann ist im hinteren Stall.«
    Wenn je eine gekonnte Täuschung nötig war, dann jetzt. Ich zerrte meine Zopffrisur auf und ging mit einem lautlosen Stoßgebet an die Götter los, wobei ich den ohnehin gerafften Rock noch höher über die Fußknöchel hob.
    »Seid Ihr es, Mann?«, rief ich und rannte die Treppe hinunter. »Ich habe ihn gesehen, Mann. Ich habe unseren Sohn gesehen!«
    Als ich um den engen Treppenabsatz kam, sah ich die verblüfft zu mir hochgewandten Gesichter von Haddo und dem Gastwirt. Ich lächelte und sprach mit bebender Stimme zum Leutnant: »Er ist in unserem Zimmer, Mann. Ihr müsst sofort kommen.«
    Ich stieg die letzten Stufen hinab und packte Haddo am Arm, um ihn die Treppe hinaufzuziehen, doch der Leutnant blieb an seinem Platz stehen. »Er weint, der arme Kleine, und will seinen Vater sehen.«
    Haddo und der Gastwirt tauschten einen entsetzten Blick, der besagte Sie ist verrückt . Was sollen wir tun? Ich zerrte erneut

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