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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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zischte sie mich an und drückte mir die Sachen in die Hand. »Ihr bringt uns alle in Gefahr.«
    Ich schloss kurz die Augen, um den vertrauten Stoß von Kinras zorniger Energie abzufedern, der durch das Tuch zu mir drang. Mir war klar, dass Vida aus Kummer und Angst mit so scharfer Zunge redete, doch ihre ungerechten Vorwürfe schmerzten mich trotzdem. Sie hatte ja Haddos Absichten nicht mitbekommen. Woher nahm sie das Recht, jede meiner Handlungen zu beurteilen? Ich ballte die Faust, wie gelähmt bei der Vorstellung, sie ihr ins Gesicht zu schmettern. Brüsk wandte ich mich ab, folgte Dela die Stufen hinauf und war bestürzt über die Heftigkeit meines Grolls.
    Auf dem Treppenabsatz drehte Dela sich zu Vida um. »Du bleibst hier«, flüsterte sie. »Gib mir Bescheid, wenn jemand ins Haus kommt, ob durch die Vorder- oder durch die Hintertür.«
    Vida nickte energisch und drückte sich an die Wand. » Ich weiß, wie man Befehlen gehorcht.«
    Ich folgte Dela und machte mich auf etwas gefasst, als sie die Schiebetür hinter uns schloss. Sie war gekleidet wie ein Mann und ihre scharfen Züge und die schlanke Gestalt gaben ihr eine strenge Schönheit, die sich zu Wut verhärtet hatte.
    Mit zwei Schritten stand sie vor mir. »Das war mehr als töricht«, sagte sie mir ins Ohr und jedes Wort war wie ein Backenstreich. »Ich dachte, Ihr hättet ein wenig Verstand. Stattdessen habt Ihr Euch – uns alle – in Gefahr gebracht!«
    Ich drückte Kinras Schwerter und wurde nun auch wütend. »Haddo wollte Euch in den Ställen suchen gehen. Ich musste etwas tun. Oder wäre es Euch lieber gewesen, ich hätte tatenlos zugesehen und er hätte –« Ich stockte aus Vorsicht und mein plötzliches Verstummen brachte auch Dela dazu, sich besinnen. Wir hatten zu laut gesprochen.
    Sie atmete tief durch und flüsterte dann: »Er wollte mich suchen? Warum?«
    »Er will uns Geleitschutz ins nächste Dorf anbieten.«
    Dela schüttelte den Kopf. »Eine schlechte Nachricht.«
    Ich nickte. »Immerhin ist unser Freund entkommen, oder?«
    »Ja.«
    »Und es geht ihm gut?«
    »Seit dem Fischerdorf geht es ihm gar nicht gut.« Ihre leise Stimme war schroff und sie presste die Hände auf die Augen. »Verzeiht, ich bin müde. Es geht ihm ganz gut. Und er ist unterwegs.« Mühsam fand sie ihre Haltung wieder. »Ihr müsst versprechen, dass Ihr Euch nicht wieder in Gefahr bringt. Wir können es uns nicht leisten, Euch zu verlieren.«
    »Ich musste etwas tun.«
    »Nein, Eona, wir hatten alles im Griff.« Sie sah mir in die Augen, bis ich wegschaute. »Wenigstens ist Eure gespielte Verrücktheit eine gute Rechtfertigung, hierzubleiben, während Haddo und seine Männer weiterziehen. Wenn alles gut geht, wissen wir morgen Nachmittag, ob unsere Reise die Mühe wert war.«
    »Meister«, rief Vida vom Flur her, »das Dienstmädchen ist mit dem Abendessen gekommen. Darf sie eintreten?«
    Rasch stellte das Mädchen unsere Mahlzeit auf dem niedrigen Tisch ab und verschwand mit Vida, um ihr den Weg in die Küche und zu ihrem Essen zu zeigen. Ich kniete mich Dela gegenüber auf ein staubiges Kissen und betrachtete das dürftige Aufgebot an Gemüse, Reis und eingelegten Gurken, zu dem es eine kleine Schale Tee gab. Gute Pilgerkost. Wir aßen schweigend; da Vida in der Küche war und Solly den Wagen bewachte, hatten wir keinen Aufpasser und konnten keine richtige Unterhaltung wagen. Ich spürte, dass Dela ohnehin nicht reden wollte. Ihre Sorge um Ryko saß mit am Tisch wie ein weiterer Gast.
    Nachdem das Dienstmädchen das Geschirr abgeräumt hatte, kehrte Vida gähnend zurück. Sie war so müde, dass sie ihre Feindseligkeit bloß in knappen Sätzen und kurzen Seitenblicken zum Ausdruck brachte. Wir alle waren müde und unruhig vor Angst, doch ich war als Einzige nicht völlig erledigt vor Erschöpfung. Deshalb übernahm ich die erste Wache.
    Kaum hatten Dela und Vida sich angekleidet hingelegt, waren sie schon eingeschlafen. Ich packte Kinras Schwerter aus, legte sie vorsichtig auf den Boden und kümmerte mich nicht um ihr zorniges Leuchten. Auch der Kompass war dazugepackt. Ich nahm den Lederbeutel und ließ die schwere Goldscheibe in meine Hand gleiten. Sie war in vierundzwanzig konzentrische Ringe geteilt und in der Mitte steckte ein großer, runder Rubin, während die vier Himmelsrichtungen des äußeren Kreises mit kleinen roten Edelsteinen besetzt waren. In die übrigen Ringe waren Himmelstiere und elegante Zeichen in Frauenschrift graviert. Der Kompass sollte

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