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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Herberge. Rasch folgte ich Dela über die hohe Schwelle in eine Diele, die kaum mehr war als ein Flur mit Treppenhaus. Verschwunden war die köstliche Verlockung von Schmorfleisch mit Bratensoße. Stattdessen roch es säuerlich nach verschwitzten Matten und das Fischöl in den beiden schmutzigen Wandlampen verstärkte den Gestank noch. Am Ende des Gangs führte eine Hintertür nach draußen – aus dem durchdringenden Geruch nach Dung zu schließen, den der sanfte Abendwind hereinwehte, wohl in den Stallhof. Irgendwo dort brachte Solly die Ochsen unter und wartete auf eine günstige Gelegenheit, um Ryko zu befreien.
    Auch Vida und der Gastwirt traten in den engen Raum und ich wurde gegen eine steile Treppe mit einem aus verschiedenen Hölzern zusammengestückelten Handlauf gedrängt. Ich fing Delas Blick auf. Sie hielt sich mit der Hand Mund und Nase zu und versuchte, ihren Ekel zu verbergen. Gegenüber dem Luxus ihres Palasts war dies eine Bruchbude – und doch noch gut im Vergleich zu so manchem Gasthaus, das mein Meister und ich fünf Jahre zuvor ausgehalten hatten.
    Die unwillkommene Erinnerung durchfuhr mich wie Säure. Mein Meister war zwar tot, doch sein Verrat war noch immer ein wunder Punkt für mich. Diese lange zurückliegende Reise hatte stattgefunden, bevor er mich absichtlich zum Krüppel hatte machen lassen. Ich war gerade erst aus der Sklaverei der Saline entlassen worden, lernte, mich wie ein Junge zu verhalten, und genoss es, mich zu bewegen, ohne den beißenden Schmerz einer Peitsche oder das Gewicht eines Salzsacks zu spüren. Dann hatte mein Meister heimlich dafür gesorgt, dass man mir die Hüfte brach, um mein Geschlecht zu verbergen und mich unberührbar zu machen. Und das nur aus Gier nach Macht und Geld. Am Ende tat es ihm leid, dass er mir solche Schmerzen zugefügt hatte – das hatte er Chart erzählt –, und er hatte sogar begonnen, mich auf seine eigene Weise zu lieben. Vielleicht sollte ich ihm nun vergeben, da ich geheilt war und über die Macht eines Drachen verfügte. Und doch war mein Zorn so glühend und aushöhlend wie zuvor.
    Der Gastwirt nahm eine Öllampe vom Wandhaken und stieg die Treppe hinauf. Wir folgten ihm nacheinander, wobei ich mit meinem langen Gewand zu kämpfen hatte, während Vida unter dem Gewicht des Reisekorbs keuchte.
    Im ersten Stock war die Luft nicht besser; wegen des feuchtwarmen Wetters hatte sich der fischige Gestank im ganzen Haus verteilt. Der Gastwirt führte uns einen kurzen Flur entlang, an dem links und rechts durch Papierwände abgetrennte Schlafzimmer lagen. Heute Abend würden wir sehr darauf achten müssen, was wir sagten.
    »Mein bestes Zimmer«, sagte er und schob einen dünnen Paravent zur Seite. »Da keine weiteren Gäste da sind, habe ich Euch im hinteren Teil des Hauses einquartiert, damit Ihr vom Lärm in der Schänke nichts mitbekommt.«
    Das Zimmer war überraschend geräumig. Zusammengerolltes Bettzeug für zwei Personen lehnte an der Wand gegenüber und brauchte nur ausgebreitet zu werden. Ein niedriger Esstisch stand in der Mitte und es gab – ein Geschenk des Himmels! – keine muffigen Strohmatten, obwohl durch die breiten Ritzen zwischen den rohen Bodenbrettern schwacher Lampenschein von der Diele unten aufstieg. Ein fleckiger Paravent in der Ecke schirmte den Nachttopf gegen den Schlafbereich ab und ein mit Läden verschlossenes Fenster versprach frische Luft.
    Der Gastwirt hängte die Lampe an einen Haken gleich hinter der Tür und führte uns unter Verbeugungen in unsere Unterkunft.
    »Ich lasse Euch binnen einer Stunde Euer Abendessen und die zusätzliche Matte heraufbringen«, sagte er.
    Mit einer weiteren zufriedenen Verbeugung verschwand er aus dem Raum. Wir warteten schweigend, bis seine Schritte die Treppe hinunterstiegen und sich im Erdgeschoss verloren.
    Als Dela die Lage endlich als sicher einschätzte, murmelte sie: »Vida und ich gehen und helfen Solly.«
    »Und ich? Was kann ich tun?«
    »Ihr müsst hierbleiben. Keine Kaufmannsfrau würde einen Stall betreten oder gar allein in einem Gasthof herumstreifen.« Sie sah die Empörung in meinen Augen. »Das ist natürlich enttäuschend, aber nur eine Hure oder ein Dienstmädchen würde sich nach unten wagen, vor allem angesichts der vielen Soldaten. Ihr müsst Euch Eurer Rolle entsprechend verhalten.«
    »Ich weiß, ich muss die ehrbare und tief bekümmerte Gattin spielen«, erwiderte ich säuerlich. »Vielleicht kann ich ja für euch Wache stehen.« Ich trat ans

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