Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
auf. Die Perle rollte in die Halsgrube und blieb dort liegen. Ich zog eine Klinge aus seiner Brust, wobei sich sein Oberkörper ein wenig hob und wieder auf die Plattform sackte, schluckte schwer, schlitzte die Haut um die Stiche herum auf und riss ihm die Perle vom Hals. Kinras Schwerter hatten ihren Auftrag endlich erfüllt.
    Ich öffnete die Hand. Die Kaiserliche Perle war schwer und heiß – viel heißer als Sethons Körperwärme.
    Ido zog das lange Messer aus der Handfläche des Großlords und wischte die Klinge am Hosenbein ab. »Das war fast so befriedigend, wie ich gedacht hatte.« Er sah zu mir hoch und kniff tadelnd ein Auge zu. »Trotz des etwas überhasteten Endes.« Er schob das gesäuberte Messer in seinen Stiefel. »Und wo ist das schwarze Buch?«
    Er folgte meinem Blick über die Plattform. Kygo und Dela hatten die übrigen Wächter getötet oder verjagt und versuchten nun, das Buch aufzuheben, doch sie mussten immer wieder den wie eine Peitsche durch die Luft fahrenden weißen Perlen ausweichen. Dela hielt ihr zerrissenes Hemd wie ein Netz und wollte es über die sich windende Schnur werfen. Hinter ihr saß Tozay zusammengesackt und mit seltsam abgespreiztem Arm da. Er war offensichtlich verletzt. Die dunkle Gestalt neben ihm war Großlord Tuy. Wenigstens waren beide Brüder tot.
    »Kygo hat das Buch«, sagte ich. »Wir –«
    Plötzlich konnte ich nicht mehr weitersprechen. Eine ungeheure Schmerzwelle schoss durch mich hindurch und raubte mir fast die Besinnung. Kinras Schwert entglitt mir, während die andere Hand sich um die Perle krallte, sodass die Goldfassung mir ins Fleisch schnitt. Wie durch einen grauen Nebel sah ich Ido zurückweichen; er hatte den Mund zu einem Schrei geöffnet, doch ich hörte nur das Heulen des Verlusts in meinem Kopf. Einen Moment lang schien die Luft auf uns zu lasten wie ein bleiernes Gewicht. Dann krachten zwei riesige Drachen – ein roter und ein blauer – auf die Bretter und der Rückstoß ihrer Energie warf mich auf die Knie.
    Der gewaltige blutrote Spiegeldrache – doppelt so groß wie seine männlichen Artgenossen – füllte die östliche Lücke des Kreises, warf den Kopf zurück und stieß einen hohen, heulenden Schrei aus, der den langen Hals erzittern ließ. Jede Muskelbewegung lief wie eine glitzernde Welle durch das Rot und Orange der Schuppen. Die Augen, so groß wie Wagenräder, schlossen sich vor Anstrengung, als das Tier den Kreis mit seinem Körper und seiner Energie schloss. Die goldene Perle unter dem Kinn schwoll pulsierend an und ab, und ihr Gesang übertönte das dumpfe Schreien der elf anderen Drachenperlen.
    »Eona«, flüsterte ich, doch ich wusste, dass mein Drache mich nicht mehr hören konnte. Er war nun auf der irdischen Ebene und unsere Verbindung war dahin. Alle Kraft war aus mir herausgesaugt. Ich war ausgehöhlt und machtlos und mein Körper schmerzte so heftig, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte.
    »Nein!«, rief Ido mit hohler, gebrochener Stimme.
    Mit einem Brüllen antwortete sein blaues Tier dem Ruf des roten Drachen, breitete die zarten Flügel aus, hob eine Opalklaue und fuhr damit durch die Luft.
    Ich wandte den Kopf. Mein Körper war erstarrt vor Verzweiflung. »Ido, ich kann meinen Drachen nicht rufen.«
    Sein Körper verkrampfte sich vor Qual und er presste die Fäuste an die Stirn. »Sie haben den Kreis geschlossen.« Er keuchte, hob langsam den Kopf und betrachtete die Drachen. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«

26
    D unkle Wolken zogen über den Himmel und bildeten einen Kreis um die zwölf Tiere am Boden. Bisher hatte kein Lüftchen geweht, doch nun trug ein warmer Wind den Duft nach süßen Gewürzen und nach salzigem Schweiß heran und über dem allen hing der dumpfe Geruch nach dem Blut und dem Kot der vielen Gefallenen.
    Ich hörte das Stampfen von rennenden Füßen und Kygos Stimme drang durch meinen Schmerz.
    »Eona, seid Ihr verletzt?« Er kauerte neben mir nieder. Aus einem langen Schnitt an der Schulter rann ihm das Blut über die Brust und über den Arm. Dela und Tozay standen hinter ihm, auch sie blutverschmiert. Dela hielt ein zappelndes Bündel aus ihrem Hemd und dem schwarzen Buch in den Händen.
    »Mein Drache ist weg, Kygo«, krächzte ich. »Mein Drache ist weg.«
    »Nein, Eona, sie ist direkt vor uns«, erwiderte er. »Ich kann sie im Drachenkreis sehen.«
    Ich drückte die Fäuste an die Brust und wand mich vor Schmerz. »Sie hat mich verlassen.« Meine Stimme schlug um in ein Schluchzen.

Weitere Kostenlose Bücher