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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Haut, aus seinem Fleisch herauszuziehen und ihm ihre Macht zu entreißen.
    Keuchend entwand ich mich dem Bann der Vision. Es waren nicht meine Finger gewesen, die über die Perle strichen, und es war nicht mein Kaiser. Wessen Erinnerung war das? Wessen Verrat?
    Es gab nur eine Antwort: Kinra. Meine Vorfahrin.
    Sie hatte die Kaiserliche Perle zu rauben versucht. In meinem Schock lockerte ich den Griff um meine Schwerter. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich sie fallen lassen sollte – die Waffen einer Verräterin! –, doch diese Regung ging im Summen ihrer Kraft und in meiner Gewissheit unter, dass ich Kygo nicht ohne diese Schwerter entwaffnen konnte.
    Hinter mir stürmten Dela und Ryko aus der Herberge. Ihr Kommen erregte die Aufmerksamkeit des nächststehenden Gardisten, der drei Soldaten zurückschlug. Ich kannte sein schlankes, faltenzerfurchtes Gesicht aus dem Palast: Es war Rykos Freund, der Hauptmann der Kaiserlichen Garde. Er parierte einen tückischen Hieb mit dem einen Schwert und wehrte mit dem anderen einen tief geführten Streich von rechts ab. Er deklassierte seine Gegner, doch er ermüdete rasch.
    »Ryko!«, schrie er. Ein Schwert krachte gegen seinen stählernen Brustpanzer und er taumelte rückwärts.
    Ryko ging auf den nächsten Angreifer los und ließ die schwere Klinge auf dessen Helm niedersausen wie eine Axt. Der Mann sank zusammengekrümmt zu Boden, und sein Schwert schlitterte über das Pflaster auf uns zu. Mit beängstigendem Tempo sprang Ryko über den zusammengesunkenen Mann und stieß dem Kämpfer daneben sein Schwertheft ins Gesicht.
    Dela fluchte in sich hinein und nahm das Schwert des Gefallenen.
    »Eona, geht wieder hinein«, befahl sie und rannte Ryko nach.
    Doch ich rührte mich nicht. Kinras alte Energie durchströmte mich. Wieder richtete ich die Augen auf Kygo und mein Blick folgte der Perle an seinem Hals, während er sich bückte und die Männer am Boden angriff. Kinra wollte die Perle. Sie war ihre Berufung. Ihr Schicksal. Ihr Recht.
    Wir mussten die Perle holen.
    Wir? Mit zusammengebissenen Zähnen rang ich um Beherrschung. Ich war hier, um Kygo zu entwaffnen und ihn zu retten – nicht um die Kaiserliche Perle zu rauben! Ich war keine Verräterin und würde auch nicht die Sklavin einer alten Verräterin sein. Schon einmal hatte Ido mir meinen Willen entrissen – das würde nicht wieder geschehen.
    Ich warf die Schwerter weg. Sie fielen auf das Pflaster und ihr Klirren durchbrach Kinras Schlachtruf in meinem Kopf. Doch bei dem schrillen Geräusch hielt ein Soldat inne, der gerade auf Dela losging. Er drehte sich um, sah ein leichteres Opfer und kam mit gezücktem Schwert auf mich zu.
    Besser, man hatte Gedanken an Verrat als ans Sterben. Ich warf mich auf die Schwerter am Boden und landete mit Wucht auf allen vieren. Meine Finger schlossen sich um ein Heft; das andere war zu weit weg. Noch immer auf den Knien, fuhr ich zu dem Soldaten herum. Mit drei Schritten wäre er bei mir.
    Erster Schritt – er holte aus.
    Zweiter Schritt – seine Klinge fuhr durch die Luft.
    Dritter Schritt – ich erwartete ihn mit erhobener Waffe und angespannten Oberschenkeln. Als Stahl auf Stahl traf, durchdrang das Summen meines Schwerts meinen ganzen Körper.
    Über die Schulter abrollen.
    Diese Anweisung war wie ein kaum vernehmliches Flüstern, doch ich gehorchte. Da, wo ich eben noch gekniet hatte, klirrte die Klinge des Soldaten aufs Pflaster. Einen Moment lang hielt er mit seinem Schwert inne vor Überraschung. Durch Kinras Augen sah ich die Gelegenheit und holte gegen seine Knie aus. Die Knochen knirschten und Blut spritzte. Mit einem Aufschrei stürzte er zu Boden.
    Ich kroch über das blutige Pflaster und schnappte mir das zweite Schwert. Wieder verstärkte sich das Summen und brannte mir Kinras Mission ins Hirn. Es war klar, dass ich ohne ihr Wissen nicht überleben würde, doch ich musste herausfinden, wie ich ihrer Gier nach der Perle widerstehen konnte.
    Ich stellte mich mit dem Rücken an die Mauer der Herberge. Vor mir wogte das Gefecht wie ein höfischer Tanz im Rhythmus von Schreien und Rufen. Wieder glitt mein Blick zu dem weiß gekleideten Kaiser, der noch immer auf seinem Pferd saß und wild auf die Soldaten einhieb. Kinras Energie meldete sich dringlicher und ihr Kriegerinnenwissen las die Muster der Schlacht. Wir wollten zu Kygo, doch nur sie war in der Lage, eine Schneise durch das Gewühl zu schlagen. Ich musste mich von ihr durch das Gefecht führen lassen. Es war

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