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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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entfernt war. Kygo war benommen und schwankte, und aus der Platzwunde über seinem Auge rann Blut. Er würde mich nicht kommen sehen. Nur ein gezielter Stich. Ich hob die Klingen.
    »Mylady, das ist Eure Chance – entwaffnet ihn!« Rykos Stimme durchdrang das triumphierende Summen in meinem Kopf. Etwas in mir – tief und drachengeschmiedet – griff nach der ungeheuren Energie des Insulaners. Seine Kraft durchströmte mich erneut, und sein Puls verschmolz mit dem meinen. Instinktiv griff ich nach seiner verlässlichen Gegenwart und skandierte im Stillen Ent-waff-nen, ent-waff-nen, ent-waff-nen , um den immer lauter werdenden Schrei der Schwerter zu übertönen.
    »Ent-waff-nen, ent-waff-nen!« Ryko rannte mit vor Schreck verzerrtem Gesicht auf Kygo zu. Mein Skandieren lenkte sein Handeln. Irgendwie hatte ich seinen Willen im Griff.
    Ich verstummte, doch es war zu spät: Ryko rammte den Kaiser, der schmächtiger war als er. Sie schwankten und stürzten zu Boden. Ryko rollte sich ab und Kygo landete auf allen vieren, wobei ihm die Schwerter klirrend aus den Händen fielen. Kinra nahm die Gelegenheit wahr. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie sie die Klingen hob und niedersausen ließ, wie sie ihm den Kopf abhieb und ihm die Perle vom Hals schnitt.
    Brüllend hob ich Kinras Waffen. Die Zeit, während sie ihren Bogen nach unten beschrieben, fühlte sich an wie tausend Jahre atemlosen Schreckens.
    Und in jeder Sekunde davon kämpfte ich mit Kinra um die Macht, um meinen Geist. Kämpfte ich um Kygos Leben.
    Die Klingen krachten nur eine Fingerspitze neben dem Gesicht des Kaisers auf das Pflaster. Meine Hände bebten und ich vernahm in mir Kinras enttäuschtes Geheul. Als der Kaiser zurückschrak, sah ich, wie die Angst den Wahn in seinem Blick durchbrach und er wieder zu Verstand kam.
    Erleichtert schnappte ich nach Luft. »Kygo!«
    Er sackte zusammen und sein wütender Zorn verebbte.
    »Majestät, ist alles in Ordnung mit Euch?«
    Langsam sah er hoch und sein Atem ging stoßweise und qualvoll. »Lord Eon?«
    Ich ließ Kinras Schwerter fallen. Das plötzliche Schwinden von Kinras Zorn fühlte sich an, als hätte man mir die Wirbelsäule herausgerissen und ich sank auf die Knie.
    »Hier bin ich, Majestät.«
    Er streckte den Arm aus, berührte mich an der Schulter und vergewisserte sich, dass ich wirklich vor ihm stand. »Sie sind tot, Lord Eon.« Seine Stimme brach, als er mit seiner Trauer kämpfte. »Mein Bruder. Meine Mutter. Tot.«
    »Ich weiß.«
    Er betrachtete das Gemetzel ringsum. »Was ist das?« Mit geschlossenen Augen fuhr er fort: »Ich weiß noch, dass Ryko ins Lager kam und mir von dem Staatsstreich berichtete. Und die Soldaten …« Er presste die Fäuste auf die Augen. »Bei den Göttern, das war ich , nicht wahr? Ich habe meine eigenen Männer getötet? Und die Leute im Dorf –«
    Würgend krümmte er sich und sein Körper fing an zu schlottern. Er suchte keinen Trost, er war ganz Mann und ganz König. Und doch war mir klar, dass ich seine einsame Verzweiflung durchbrechen musste. Das war ein Risiko. Sein königlicher Leib war heilig, unantastbar. Und ich hatte gerade verzweifelt darum gekämpft, dass Kinra ihn nicht umbrachte.
    Die Schuld und der Schmerz in seinem blutverschmierten Gesicht brachten mich dazu, es zu wagen. Schuld und Schmerz waren mir vertraut. Ich berührte ihn an der Schulter und der verspannte Muskel zuckte unter meinen Fingern. Sein Kopf fuhr hoch, und ein plötzliches Bedürfnis nach Nähe wischte die ein Leben lang eingeübte Zurückhaltung fort: Auch das hatten wir gemeinsam. Verlegen zog ich ihn an mich – nicht nur, um ihn zu trösten, sondern auch, um dem Entsetzen in seinem Blick zu entgehen – und murmelte Worte des Trostes an seiner schweißnassen Haut. Die Geister würden ihn bald heimsuchen (genauso wie mich), und das Wenigste, was ich tun konnte, war, sie eine Zeit lang fernzuhalten durch meine Berührung und durch eine Stimme, die nicht um Gnade winselte.
    Neben mir rappelte Ryko sich auf und stützte sich auf ein Schwert. Aus den Augenwinkeln nahm ich ein Flimmern wahr: Es war Haddo, der noch immer mit Dela kämpfte. Er war kurz davor, den Contraire zu besiegen, dessen Gegenwehr allmählich erlahmte und dessen Hiebe inzwischen kraftlos wirkten. Auch Ryko bemerkte das, sammelte sich und rannte zu den beiden.
    »Dela, zieht Euch zurück«, schrie er.
    In einer verzweifelte Kraftanstrengung löste sie sich von ihrem Gegner. Mit einem schwungvollen Streich erwischte

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