EONA - Das letzte Drachenauge
die zusammengebissenen Zähne.
»Halt!« Ich trat zwischen die beiden.
Der Insulaner stolperte nach hinten. »Mylady, bitte. Tut es nicht.«
»Es tut mir leid, Ryko.« Ich sandte meine Energie aus und suchte die Pfade seiner Lebenskraft. »Verzeih mir.«
Unter meinem hämmernden Herzschlag bemerkte ich den hektischen Rhythmus seiner Furcht und seiner Wut und zog ihn in mein Hua. Bei der plötzlichen brutalen Verbindung fingen seine Augen an zu flackern. Er keuchte, als sein Wille mit dem meinen verschmolz, und die gnadenlose Zusammenschaltung zwang ihn auf die Knie. Ich spürte, wie seine Energie sich in mir aufbaute. Ich konnte über seine ganze gewaltige Kraft gebieten.
Ein brutaler Griff am Arm riss mich herum.
Kygo.
Ich taumelte, noch immer gefangen im reißenden Strom der Macht. Der Kaiser zog mich wieder hoch, fasste mich am Kinn und hielt mich fest.
»Habt Ihr mich geheilt?«, wollte er wissen. Er stand so dicht vor mir, dass ich ihn nur mit Mühe scharf sehen konnte. »Habt Ihr mich geheilt? «
Die dunkle Angst in seinen Augen durchdrang den Ansturm der Macht.
»Nein!« Meine Verbindung mit Ryko brach ab. Als er so jäh losgelassen wurde, stürzte der Insulaner zu Boden, und auch ich sackte zusammen, da ich plötzlich viel Energie verlor. »Nein, ich habe Euch nicht geheilt. Nein!«
Kygo packte mich und zog mich an seine Brust. Sein Herz hämmerte an meine Wange und die Kaiserliche Perle leuchtete nur eine Fingerlänge vor meinen Augen. Ich starrte auf ihre bleiche Schönheit, doch der Schreck über die abgebrochene Verbindung war zu groß, als dass ich dem leisen Begehren, sie zu berühren, hätte nachgeben wollen.
Kygo strich mir über den Nacken. »Schon gut«, murmelte er in mein Haar und sah sich zu Yuso um. »Seht Ihr, sie hatte keine Gewalt über mich. Und ich habe nicht gespürt, wie sie Ryko beherrscht hat. Seid Ihr nun zufrieden?«
Yuso steckte sein Schwert in die Scheide. »Soweit ich es sein kann, da wir nichts über ihre Macht wissen.«
»Dann hinaus mit Euch«, sagte Kygo. »Und nehmt Ryko mit. Sorgt dafür, dass der Arzt sich um ihn kümmert.«
Ich hob den Kopf, als der Sinn von Kygos letzten Worten endlich durch meine Benommenheit drang.
»Ihr habt es getan, um zu sehen, ob ich Euch geheilt habe?« Eine andere Art Energie loderte in mir auf: Wut. Und die kam ganz aus mir allein. Ich schlug ihm mit der Faust gegen die Brust. »Lasst mich los!«
Er hielt mich fester, damit ich nicht entkommen konnte. »Ich musste sicher sein.«
»Ihr hättet mich fragen können!« Ich schlug erneut auf ihn ein, um ihm wehzutun. So wie er mir wehgetan hatte. Er packte mein Handgelenk. Diesmal hatte sein Griff nichts Zärtliches.
»Yuso«, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Hinaus. Und zwar sofort!«
Der Hauptmann half Ryko auf und schob ihn aus der Höhle. Kygo drückte meine Hand nach unten.
»Schlagt mich nie wieder«, warnte er mich. »Ich bin Euer Kaiser.«
»Und ich bin Euer Naiso«, erwiderte ich. »Oder bedeutet das gar nichts?«
»Ich musste mich davon überzeugen, dass Ihr mich nicht geheilt habt.«
»Wie hätte ich Euch denn heilen sollen?«, wollte ich wissen. »Ich hätte doch den ganzen Krater zerstört – genau wie das Fischerdorf.«
»Da war ich nicht dabei, Eona. Und alle, die das erlebt haben, gehören zu Euch. Ich musste mich davon überzeugen, dass ich noch einen freien Willen habe.«
»Warum habt Ihr mir nicht vertraut? Ich hätte Euch die Wahrheit gesagt.«
»Das hätte nicht gereicht«, gab er ungerührt zurück. »Ich musste es Yuso beweisen.«
»Warum? Was ist so wichtig an Yuso?«
»Es ist seine Pflicht, mich zu schützen. Den Thron zu schützen. Er musste sich davon überzeugen, dass ich nicht gefährdet bin.« Der düstere Ausdruck in seinen Augen brachte mich dazu, stillzuhalten. »Das war nicht einfach etwas zwischen Euch und mir, Eona. Mein ganzes Tun hat Folgen für das Kaiserreich. So war es mein Leben lang. Und nun wirkt sich auch alles, was Ihr tut, darauf aus.« Er zögerte und legte dann die Hand an meine Wange und sein zärtlicher Mund war meinen Lippen ganz nah. »Ich weiß, dass Macht und Rang neu sind für Euch, doch Ihr müsst begreifen, dass das Kaiserreich wichtiger ist als ein Mann und eine Frau. Egal, was wir empfinden oder was wir uns wünschen mögen.«
Ich wandte das Gesicht ab und wappnete mich mit meiner Wut wie mit einem Schild. »Das entschuldigt weder Grausamkeit noch Unehrenhaftigkeit«, erwiderte ich.
Er zuckte
Weitere Kostenlose Bücher