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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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lockerte meinen Griff.
    »Ich bin unter einen Baum geraten, aber es geht mir so weit gut.«
    »Ich bin so froh, Euch zu sehen. Ich hatte das entsetzliche Gefühl –«
    Nun war sie es, die meine Hände fest drückte. »Eona, ich habe nicht nur gute Nachrichten.« Ihr Lächeln war verschwunden. »Solly ist tot. Ertrunken. Wahrscheinlich in der ersten Welle.«
    Ihre Worte beschworen ein scharfes Bild von der Flut in mir herauf. Ich hatte gesehen, wie Solly untergegangen war. Ich hatte mitbekommen, wie das Wasser ihn verschluckte. War er im gleichen Moment gestorben? Mich fröstelte, doch in meinem Herzen spürte ich nur ein flüchtiges Bedauern. War ich schon so gewöhnt an den Tod, dass ich einen anständigen Menschen nicht mehr betrauern konnte? Solly und ich hatten gemeinsam gekämpft. Ich hatte mich auf seinen entschlossenen Mut, auf seine ruhige Tüchtigkeit verlassen, und seine raue Herzlichkeit hatte mir das Herz erwärmt. Er war stoisch und treu gewesen und verdiente meine Trauer. Und doch war ich ungerührt. Ich hatte mehr Trauer empfunden für Leutnant Haddo, unseren Feind.
    »Weiß Ryko es schon?«, flüsterte ich und schämte mich meiner Nüchternheit. »Und Vida?« Beide hatten viel länger an Sollys Seite gekämpft. Vielleicht würden ihre Tränen für uns alle reichen.
    Dela nickte. »Sie halten zusammen Geisterwache.« Ihre Stimme war ausdruckslos, doch bei diesen Worten drückte sie meine Hände fester. Dann sah sie Madina an. »Vielen Dank für Eure Hilfe. Könntet Ihr uns jetzt bitte allein lassen?«
    Als die Frau die Kammer verlassen hatte, sagte Dela: »Der Arzt hat darauf bestanden, dass Ihr etwas esst, bevor ich zu Euch gehe. Er meinte, das würde den Schock dämpfen. Ist alles in Ordnung mit Euch?«
    Ich biss mir auf die Lippen. Es schien so, als brauchte mein Geist keine Dämpfung. »Man hätte mich wecken sollen, als Ihr angekommen seid.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es war richtig, Euch schlafen zu lassen. Ihr hättet nichts tun können.«
    »Ich hätte da sein können. Ich hätte …« Nein, ich hätte wirklich nichts tun können und dieses Gefühl der Ohnmacht hinterließ einen bitteren Geschmack in meinem Mund.
    Dela trat näher und drückte mich an sich. Ich vergrub das Gesicht an ihren harten Brustmuskeln. Hemd und Hose waren geliehen und sie hatte offensichtlich gebadet. Dennoch stieg mir ein leichter Geruch nach Schlamm in die Nase. Gewiss war die Flut auch in meine Haut tief eingedrungen. Und vielleicht würden wir alle ihren Gestank nie mehr loswerden.
    »Möge Sollys Geist im himmlischen Garten wandeln«, flüsterte Dela.
    »Und möge seine Ehre durch seine Familie weiterleben«, ergänzte ich, doch die traditionellen Worte vermochten mich nicht zu trösten.
    »Ich muss Euch noch etwas erzählen«, fuhr Dela fort. »Darüber, was mir widerfahren ist, nachdem das Wasser über uns hereingebrochen war.« Sie ließ mich los, humpelte zur Tür und spähte kurz hinaus, bevor sie sie schloss.
    Endlich brach etwas durch meine Benommenheit: eine deutliche Vorahnung. Ich setzte mich auf, während sie den niedrigen Hocker heranzog und sich mir gegenüber niederließ.
    »Streckt den Arm aus«, befahl sie.
    Ich gehorchte. Sie hielt ihre großen Fingerknöchel ganz leicht an die meinen und schob ihren weiten Ärmel hoch. Die schwarzen Perlen ratterten an ihrem Arm herunter. Und noch bevor ich zurückzucken konnte, hatte die Schnur sich um mein Handgelenk gewunden, zog das rote Buch zu mir herüber und band es an meinen Unterarm. Ich zog meinen Arm weg.
    »Ihr wisst doch, dass ich das Buch nicht an mir tragen will.«
    »Die Perlen erkennen Euch«, sagte sie, ohne auf meinen Widerspruch einzugehen. »Vielleicht haltet Ihr mich für verrückt, aber sie haben einen eigenen Willen. Sie haben mich aus dem Wasser gezogen.« Dela schüttelte den Kopf. »Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Sie haben mich vor dem Ertrinken gerettet, auch wenn sie nicht viel tun konnten gegen den Baum, der dann auf mich gestürzt ist.« Sie zog eine ihrer fein geschwungenen Brauen hoch. »Ihr seid ja gar nicht überrascht.«
    Ich berührte die warmen schwarzen Windungen um meinen Arm. »Ich habe gesehen, wie die Perlen des schwarzen Buchs Dillon gerettet haben. Wahrscheinlich bestehen beide Perlenschnüre aus Gan Hua und sollen die Bücher unter allen Umständen schützen.«
    »Das würde die Sache erklären. Und wer an den Perlen hängt, ist dann auch sicher.« Dela lächelte. »Den Göttern sei Dank.« Ihr

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