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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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hier und man konnte hören, wie das Sommerfest die Leute
begeisterte. Der Lärm einer ausgelassenen Masse wehte durch die Straßen wie ein
heißer, aber milder Wind.
    Die Sternwarte von Ravinia diente dem russischen
Forscher Dr. Pitrov als Heim und Arbeitstätte, der dort drinnen sein
unbehelligtes Leben führte und den sich ständig wandelnden Nachthimmel über der
düstergoldenen Rabenstadt durch Teleskope beobachtete.
    Myra Jones erwartete sie bereits mit einem beschämend
schönen Lächeln. Genau so, wie sie sie noch am Vormittag verabschiedet hatten.
Neben ihr musste sich jede andere Frau der Welt unsagbar dumm und hässlich
vorkommen – zumindest wurde sie gewiss dazu verleitet, sich so zu fühlen,
dachte Lara resigniert. Das Schlimme daran war, dass die Kommissarin darüber
hinaus auch noch einigermaßen nett war.
    Â»Mr Truska, Ms McLane, da sind Sie ja«, empfing sie
die beiden. Und auch wenn ihre Art eher kühl und professionell war, so brachte
sie diese Worte doch mit einem unvergleichlichen Charme hervor.
    Â»Nennen Sie uns beim Vornamen«, meinte Tom, und Lara
blickte abrupt in seine Richtung. Aber da war keine Vernarrtheit in seinem
Blick. Tom hätte es sich jedoch auch nicht anmerken lassen, wäre er dem Charme
einer rothaarigen Beamtin so einfach erlegen.
    Er hatte den Blick bemerkt und ein sachtes Grinsen
huschte über seine Züge. »Es macht die ganze Sache einfacher«, erklärte er.
»Oder sollen wir uns die ganze Zeit Ms McLane, Ms Jones und so weiter
nennen?«
    Â»Na ja«, gab Lara zu bedenken. »Das wäre
professionell.«
    Â»Wie uncool«, gab Tom zurück und zwinkerte, wie
Baltasar es immer getan hatte. Lara klappte den Mund auf, um etwas zu erwidern,
hätte aber beim besten Willen nicht gewusst, was. Hatte Tom Truska gerade
»uncool« gesagt? Wahrlich, es passierten verrückte Dinge auf der Welt.
    Myra Jones führte sie auf die Rückseite der
Sternwarte. Dicht an der Außenmauer war ein kleines, unscheinbares
Kellertreppchen mit einem rostigen Geländer. Sie ging hinunter und verschwand
hinter einer Tür.
    Im Keller der Sternwarte war es unspektakulärer, als
Lara gehofft hatte. Dafür jedoch erwartete sie ein weiterer alter Bekannter.
Groß und schlaksig, blass wie ein Blatt Papier und mit langem, pechschwarzem
Pferdeschwanz. Francesco. Sie hatte ihn wirklich lange nicht gesehen. Zuletzt
während eines Weihnachtsessens im vorletzten Winter. Mein Gott, dachte sie. Sie
hatte nicht einmal seinen Nachnamen gekannt. Bastiani. Dabei war er ihr immer
sympathisch gewesen, trotz seiner etwas unbeholfenen Art.
    Â»Hallo Lara«, begrüßte er sie und gab ihr die Hand.
Wiedersehensfreude funkelte in seinen Augen,
aber einem Lächeln gab er sich nicht hin. Die Geschehnisse, wegen derer
sie hier waren, schienen ihn zu beschäftigen.
    Â»Tom Truska, richtig?«, stellte er sich weiter vor.
    Tom nickte und gab ihm freundlich die Hand. »Ist mir
eine Ehre.«
    Die Kellertür ging erneut auf und eine kleine Welle
des fröhlichen Lärms aus dem Rondell schwappte herein. Mit ihm huschte Geneva
in den kleinen feuchten Raum, katzen- und schattenhaft, wie es nur die
Nachtwächter von Ravinia vermochten.
    Â»Hallo Geneva«, nuschelte
Francesco. Diese Begrüßung war unerwartet kühl und Lara fragte sich, woher die
beiden sich wohl kennen mochten.
    Â»Hallo«, gab sie bloß
zurück und beide wirkten einen Augenblick lang, als fühlten sie sich nicht
besonders wohl in ihrer Haut.
    Â»Seid ihr bereit?«, fragte Francesco schließlich in
die Runde.
    Â»Bereit?«, fragte Lara etwas nervös zurück.
    Â»Ja, bereit. Das, was euch unten in Epicordia
erwartet, ist – sagen wir anders . Ihr steht da unten
unter meinem Schutz, deshalb wird man euch nichts tun. Glaubt jedoch nicht,
dass ihr besonders willkommen geheißen würdet.«
    Â»Na, das klingt ja schon mal vielversprechend«,
murmelte Tom.
    Â»Kannst du es ihnen verdenken?«, raunte Geneva zu ihm
hinüber.
    Er drehte den Kopf in ihre
Richtung und schwieg vielleicht den Bruchteil einer Sekunde zu lange. Aber es
genügte, um Lara feststellen zu lassen, dass sich Toms und Genevas Blicke
getroffen hatten. Sie war jedoch zu aufgeregt, als dass sie sich weitere
Gedanken darum hätte machen können. Auch war die Ablenkung zu groß, denn in
diesem Moment drückte Francesco die Klinke an der

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