Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
merkte man Tom überhaupt
irgendeine Regung an, aber die Ungeduld stand ihm nun buchstäblich ins Gesicht
geschrieben.
    Â»Erinnerungen.«
    Â»Erinnerungen? An was?«, hakte Alisha nach.
    Â»Finstere Erinnerungen«,
erklärte Lee. Die Faszination für sein Werk obsiegte langsam über sein
schlechtes Gewissen, obwohl es ihm sichtbar unangenehm war, von Tom und Alisha
gleichzeitig in die Zange genommen zu werden. »Zumindest denke ich, dass es die
finstersten Erinnerungen sind, die Ma’Haraz hat. Die Kugel hat sie ihm
gestohlen … oder besser gesagt sie kopiert .«
    Â» Kopiert ?«, fragte Tom.
»Woher weißt du, dass sie nur kopiert sind? Vielleicht hat Ma’Haraz sie nun gar
nicht mehr.«
    Â»Na ja …«, Lee druckste etwas herum. »Ich hab es in
der Bibliothek nachgelesen. Den ganzen Tag über habe ich nach einer Bemerkung
über die Auswirkung von Albtraum-Essenzen auf Erinnerungen gesucht und nur eine
gefunden. Und darin stand, dass die Essenzen eine Art Abbild erzeugen. Es ist
ein wenig wie bei einer Flamme, die Sauerstoff zum Leben braucht. Nur, dass sie
die Erinnerungen nicht verzehren, sondern sie sich wie eine neue Haut
anziehen.«
    Lara war nicht bewusst gewesen, wie dicht neben
Patrick sie stand, da dieser – wie üblich – mal wieder kein Wort gesagt hatte.
Sie merkte es erst, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte. Eine
unglaublich wohltuende Berührung, vor allem in einem Moment, da sie über
nachtschwarze Finsternis sprachen.
    Â»Also noch mal kurz und knapp«, forschte Tom nach. »Du
hast Ma’Haraz’ dunkle Erinnerungen in dieser Kugel eingefangen?«
    Lee zuckte mit den Schultern.
    Â»Man könnte sagen, ich habe so eine Art Sicherheitskopie gemacht.«
    Berrie stöhnte in einem Tonfall, der verriet, dass sie
gleich die Geduld mit ihrem Lehrling verlieren würde.
    Â»Und jeder kann sie sehen?«
    Â»Oh ja«, gab Jacob Skinner voller Bitterkeit zu.
»Natürlich. Jetzt ist mir auch klar, warum der Wahrsager die Kugel für sich
allein haben will.«
    Â»Dann möchte ich sie auch gerne sehen«, sagte Tom
entschieden.
    Â»Spinnst du? Hast du nicht gesehen, was das Ding mit
ihm gemacht hat?«, entfuhr es Lara, die dabei auf den gefesselten Gaukler
zeigte.
    Â»Lee?« Tom sah den jungen Wahrsager fragend an.
    Der machte ein beschwichtigendes Gesicht.
    Â»Es ist eigentlich verhältnismäßig ungefährlich.
Zumindest, soweit ich das behaupten kann.«
    Sein Blick wanderte zu Jacob Skinner.
    Â»Bloß wenn man es unvorbereitet tut, dann muss es
einen unglaublich schocken.«
    Â»Was genau passiert, wenn ich die Kugel berühre?«,
wollte Alisha wissen.
    Â»Du siehst so eine Art lebensechten 3-D-Film vor
deinem inneren Auge ablaufen.«
    Schneller als Lee imstande war zu reagieren, hatte Tom
ihm die wieder in Zeitungspapier gehüllte Kugel aus der Hand genommen und ging
damit zu Lees Arbeitsfläche.
    Â»Tom«, rief Lara. »Du …«
    Â»Was?«, rief dieser und wirbelte herum. »Glaubst du
nicht, dass das ein bisschen zu viele Zufälle sind? Ruben Goldstein baut eine
Armee von mechanischen Zerfleischern und gleichzeitig kidnappt Ma’Haraz
Bewohner von Ravinia und lässt sie nur kurze Zeit später wieder laufen?«
    Lara stockte.
    Â»Du meinst, die Sturmbringer hecken irgendetwas aus?«,
fragte Alisha schließlich. Zwar war ihre Stimme beherrscht, doch sie klang auch
eindeutig tieftraurig.
    Â»Oh ja«, sagte Tom. »Und ich würde meine Hand dafür
ins Feuer legen, dass es etwas ganz und gar Beschissenes ist.«
    Tom auf diese Art fluchen zu hören war eigenartig,
doch Lara hatte keine Zeit, über solche Kleinigkeiten nachzudenken.
    Tom schnappte sich ein Sitzkissen von einem der
Hocker, platzierte es auf der Arbeitsfläche und legte die Kugel darauf. Dann
zog er das Zeitungspapier weg –
    und berührte die Kugel.
    Etwas durchzuckte Tom einem Stromschlag gleich. Als
führe ein unsichtbarer Blitz durch ihn hindurch.
    Er fiel auf die Knie – die Kugel in der Hand – und
verharrte dort einen Augenblick lang.
    Ein Raunen ging durch die Reihen der Freunde. Alisha
schlug erschrocken die Hände vor den Mund.
    Entsetzt stürzte Lara auf Tom zu und hockte sich neben
ihn.
    Â»Tom!«, rief sie.
»Tom, Tom! Verflucht.«
    Tom schlug die Augen auf.
    Er sah sie an.
    Einen kurzen Moment nur, mehr brauchte

Weitere Kostenlose Bücher