Epsilon
können. Wenn du aufwachst, sag einfach, dass du dich an nichts erinnerst. Ich werde dir helfen zu fliehen, und du wirst mir helfen, meinen Vater und meinen Sohn zu befreien, wenn auch auf ganz andere Weise als in diesem Programm. Aber wir werden es tun. Und dann werden wir die Hurensöhne, die hinter all dem stecken, für das büßen lassen, was sie uns angetan haben!«
Charlie war nicht sicher, ob er die Augen geöffnet hatte oder ob sie die ganze Zeit über offen gewesen waren. Wie auch immer, er fand sich plötzlich im Labor wieder, und Susan war gerade damit beschäftigt, das fünffingrige Gerät von seinem Kopf zu entfernen. Ein ähnliches Gerät saß auf ihrem Kopf. So funktionierte es also, dachte Charlie: eine direkte Verbindung.
Die beiden Wachen saßen wie zuvor in ihren jeweiligen Ecken. Charlie warf einen Blick auf die Uhr an der Wand zu seiner Rechten. Es war weniger als eine halbe Stunde vergangen. Interessant, dachte er: Die ganze Illusion war in Realzeit abgelaufen – vorausgesetzt, die Uhr ging richtig und war nicht nur ein weiterer Teil eines Täuschungsmanövers.
»Okay, Charlie«, sagte Susan aufgeräumt, »erinnern Sie sich an mich?«
Er runzelte die Stirn. »Natürlich erinnere ich mich an Sie.«
Susan stieß die Luft hörbar durch die Nase aus, als wäre das nicht ganz die Antwort, die sie erwartet hatte. »Hm. Erinnern Sie sich an das, was gerade geschehen ist?«
Ihre Blicke trafen sich kurz. Charlie machte das Spiel mit und sah weiterhin verwirrt drein. »Was meinen Sie mit ›was gerade geschehen ist‹? Nichts ist geschehen. Sie haben mir bloß dieses Ding auf den Kopf gesetzt, und jetzt haben Sie es wieder abgenommen.«
Susan antwortete nicht und sah ihn verärgert an. Charlie vermutete, dass es nur gespielt war.
»Okay, Sie können ihn zurückbringen«, sagte sie, an die beiden Wachen gewandt. »Sieht so aus, als läge noch eine Menge Arbeit vor mir.«
47
Susan belog ihren Vater nicht gerne, aber sie hatte keine andere Wahl. Genau genommen war es weniger eine direkte Lüge als vielmehr ein sparsamer Umgang mit der Wahrheit. Sie wusste, dass jedes Wort, das sie innerhalb des Gebäudes sprachen, aufgezeichnet und abgehört wurde; selbst draußen im Freien konnte sie nicht sicher sein, dass ihnen niemand mit einem Richtmikrofon folgte. Also erzählte sie ihm erneut, wie sie es schon mehrfach getan hatte, dass sie ihre Einstellung geändert habe.
Sie sei nun bereit, Kompromisse einzugehen und sogar freiwillig am Projekt mitzuarbeiten. Am Anfang war sie ein wenig bestürzt über die Art gewesen, in der er ihr zugestimmt und sie in ihrem Sinneswandel ermutigt hatte, doch dann war ihr klar geworden, dass er nur an ihr und Christophers Wohl dachte. Alles, was dazu beitrug, dass sie am Leben blieben und dieses Leben in einigermaßen normalen Bahnen führen konnten, wurde von ihm gutgeheißen: Amery Hyde war sowohl ein Pragmatiker als auch ein Mann mit Prinzipien, und sie liebte ihn dafür.
Immerhin, wenn sie ihren Vater hinters Licht führen konnte, dann gelang ihr das wahrscheinlich auch bei Latimer West und all den anderen, wer immer und wo immer sie auch sein mochten. Ihr einziges Ziel war es, das Misstrauen, das man ihr entgegenbrachte, zu zerstreuen, die anderen davon zu überzeugen, dass sie nicht länger aktiv gegen sie arbeitete. Trotz all der vagen Versprechungen war noch immer keine Entscheidung gefällt worden, wann sie und Christopher tatsächlich nach Hause zurückkehren konnten, und in Susan erhärtete sich der Verdacht, dass das auch nie geschehen würde. Wenn sie sich in Wests Lage versetzte und in die der Leute, die hinter ihm standen, war ihr klar, dass sie das Risiko nicht eingehen konnten, sie bei all dem, was sie wusste, freizulassen. Sehr viel wahrscheinlicher war Susans Ansicht nach, dass die Foundation sie bis zum Letzten ausbeuten und dann umbringen würde. Und natürlich würde sie auch ihren Vater töten müssen. Und Christopher? Aber Susan konnte sich selbst bei diesen Leuten nur schwer vorstellen, dass sie dazu fähig waren, ein unschuldiges Kind kaltblütig zu ermorden. Es war die Morddrohung, die ihnen Macht verlieh. Sie wussten, dass sie sich auf Susan verlassen konnten, solange sich Christopher in ihrer Gewalt befand. Doch das beabsichtigte sie zu ändern – mit Charlies Hilfe. Und wenn sie scheiterte, wenn sie und vielleicht sogar Charlie bei dem Versuch starben, dann hätten ihre Gegner keinerlei Grund mehr, Christopher zu töten oder auch ihren
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