Epsilon
»übersehen Sie niemals das Naheliegende.«
»Nicht schlecht. Jetzt sagen Sie mir nur noch, dass der Schlüssel im Zündschloss steckt.«
Charlie sah nach. Diesmal hatten sie Pech. »Am leichtesten geht es, wenn ich die Motorhaube öffne«, meinte er, suchte nach dem entsprechenden Hebel und fand ihn. Dann ging er zur Vorderseite des Wagens und beugte sich über den Motor.
Ein Geräusch hinter ihnen ließ Susan hörbar einatmen. Sie drehte sich um. Eine Tür hatte sich geöffnet und war wieder zugefallen, eine wie die, durch die sie selbst gerade getreten waren. Es war niemand zu sehen, doch auf dem Betonboden hallten Schritte. Charlie rührte sich nicht und ließ den Kopf unten, spähte jedoch vorsichtig durch den Spalt zwischen der geöffneten Motorhaube und der Karosserie des Wagens. Ein Wachposten kam in Sicht, der mit den Autoschlüsseln in seiner Hand klimperte und leise vor sich hin pfiff, in Vorfreude auf den Feierabend. Dann entdeckte er Susan und Charlie und blieb stehen. »Haben Sie ein Problem da drüben? Brauchen Sie Hilfe?«
»Nein… nein danke«, antwortete Susan. »Es geht schon, vielen Dank.«
Charlie konnte hören, wie sie sich darum bemühte, ruhig zu sprechen. Es gelang ihr nicht besonders gut. Er sah, wie der Wachmann die Stirn runzelte. Nun war sein Misstrauen geweckt. »Warten Sie mal… Sind Sie nicht Dr. Flemyng?«
»Wir haben hier wirklich alles im Griff«, sagte Susan und klang dabei noch nervöser. »Wir haben uns schon um alles gekümmert. Danke.«
Der Wachmann schritt bereits auf sie zu. Er hatte die Schlüssel wieder in die Tasche gesteckt, sodass seine Hände frei waren. Charlie bemerkte, dass seine Rechte dabei gefährlich nahe an der .38er lag, die er im Gürtel stecken hatte. Das Gesicht des Mannes kam ihm unbekannt vor, also konnte es niemand aus der Mannschaft sein, die ihn bewacht hatte – was bedeutete, dass er möglicherweise nicht mit einem Zapper ausgerüstet war. Diese Chance musste Charlie nutzen.
»Um ehrlich zu sein, wäre ich froh, wenn Sie hier mal einen Blick drauf werfen könnten«, sagte er unter der Motorhaube hervor. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Sache alleine hinkriege.«
Der Wachmann schlug einen kleinen Bogen, um zu sehen, wer sich unter der Motorhaube verbarg, bevor er zu nahe herantrat. Charlie wartete, bis er hörte, dass der andere stehen geblieben war, und drehte sich dann um.
Obwohl Charlie sich nicht erinnern konnte, den Mann jemals zuvor gesehen zu haben, erkannte dieser ihn offensichtlich sofort. Seine Augen weiteten sich, und seine Hand fuhr zu der Waffe an seinem Gürtel. Charlie hatte ihn erreicht, bevor die Waffe aus dem Halfter war. Er schlug ihn mit einem harten Fausthieb in den Solar Plexus, gefolgt von einem Handkantenschlag in den Nacken, k.o. Er hatte sogar Zeit, den Wachmann aufzufangen, bevor dieser auf dem Boden aufschlug.
»Töten Sie ihn nicht!«, wiederholte Susan. »Töten Sie ihn nicht! Sie brauchen ihn nicht zu töten.«
»Ich habe ihn nicht getötet«, entgegnete Charlie. »In ein paar Minuten ist er wieder auf dem Damm.«
»Wir brauchen mehr als ein paar Minuten.«
Charlie packte den Wachmann unter den Armen und schleifte ihn über den Boden. Es war ein großer Mann, aber Charlie verfuhr mit ihm, als wäre er so leicht wie ein Kind. Sie fanden eine kleine Abstellkammer voller Eimer, Besen und anderer Reinigungsgeräte. Charlie fesselte den Bewusstlosen und knebelte ihn mit einem alten Handtuch. Susan befahl ihm, die Waffe des Mannes zu nehmen und sie ihr auszuhändigen, was Charlie auch tat. Sie steckte sie in ihre Manteltasche und warf ihm einen Blick zu, der die Frage, was sie damit zu tun gedachte, geradezu herausforderte. Charlie schwieg.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, den Motor anzulassen. Susan erklärte Charlie, dass der Wagen einer der Assistentinnen von Latimer West gehörte, die oft noch sehr spät arbeitete. Sie vermutete, dass die junge Frau und West eine Affäre hatten.
Charlie kletterte in den Kofferraum, während Susan ihr Haar zurückband und eine Brille aufsetzte. Wenn die Wachen am Tor nicht allzu genau hinsahen, erklärte sie, würde man sie für Wests Geliebte halten und sie passieren lassen.
Charlie hielt in der Dunkelheit den Atem an, als Susan losfuhr. Er spürte, wie der Wagen am Tor langsamer wurde, und hörte Stimmen, dann beschleunigte der Wagen wieder, und schließlich waren sie draußen. Zehn Minuten später hielt Susan an. Sie stieg aus, öffnete den Kofferraum und ließ
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