Epsilon
keine Videokameras oder Kontaktschwellen, die auf dem blanken Fußboden sowieso nur schwer zu verbergen gewesen wären.
Charlie schlüpfte aus den Schuhen und ließ sie am Fuß des Treppenaufgangs zurück. Auch wenn es nur weiche Mokassins waren, ein geschultes Ohr hätte sie vernehmen können. Nur nackte Füße garantierten Lautlosigkeit und den Vorteil der Überraschung.
Bevor er hinaufstieg, lauschte Charlie intensiv auf die Geräusche des Hauses. Er konnte nichts Ungewöhnliches feststellen. Schließlich begann er den Aufstieg und gelangte auf einen Treppenabsatz, der genauso leer war wie das untere Stockwerk. Vorsichtig schlich er einen Flur entlang und spähte dabei hinter alle Türen. Überall war es das Gleiche: keine Möbel, kein Anzeichen von Leben. Ohne große Hoffnung erklomm er schließlich die schmale Hintertreppe zum Dachstuhl. Auch dieser war leer.
Charlie stieg zum Erdgeschoss zurück, zog seine Schuhe wieder an und verließ das Haus so, wie er hineingekommen war. Dabei achtete er darauf, die Tür wieder sorgfältig hinter sich zu verschließen.
Zurück in seiner Hütte, fragte er sich, was er tun sollte. Ohne Zweifel würde er melden müssen, dass die »geheimnisvolle Frau« wieder verschwunden war. Er ging zum Telefon und tat genau das. Man stellte ihm keine Fragen, aber das tat er selbst schon zur Genüge: War sie vor ihm weggelaufen? Wenn ja, warum? Oder war sie entführt worden? Wenn ja, von wem? Vielleicht brauchte sie seine Hilfe. Wo war sie?
Einen Augenblick lang spielte er sogar mit dem Gedanken, dass er die ganze Geschichte nur geträumt oder sich eingebildet hatte. Aber nein, so etwas war einfach unmöglich.
Und dennoch: War es nicht merkwürdig, dass er Kathy wiedergetroffen hatte, so kurz nachdem seine Erinnerung an sie, die sich ihm jahrelang entzogen hatte, zurückgekehrt war? In dem einen Moment hatte er ihr Bild wieder klar vor Augen, und im nächsten stand sie leibhaftig vor ihm.
Sollte das alles tatsächlich Zufall sein? Wurde hier ein undurchschaubares Spiel mit ihm getrieben?
Charlies Telefon klingelte. Er hob ab. Diesmal war Control selbst am Apparat.
»Charlie. Sind Sie sicher, dass Sie uns nicht mehr über diese Frau zu berichten haben?«
Charlie zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, jedoch nicht zu lange, so hoffte er, um Controls Verdacht zu erregen.
»Im Augenblick fällt mir nichts ein, Sir.«
»Sie haben mit ihr gesprochen?«
War das eine Fangfrage? Charlie hatte ausdrücklich berichtet, dass er nicht mit ihr gesprochen hatte; allerdings hatte er den Bericht nicht Control selbst geliefert, also bestand vielleicht gar kein Grund zur Sorge.
»Nein, Sir. Ich habe sie nur beobachtet.«
»Waren Sie im Haus?«
»Ja, Sir.«
»Heute haben Sie sie nicht gesehen oder mit ihr gesprochen, also sind Sie ins Haus eingedrungen und haben sich umgesehen.«
»Korrekt, Sir.«
»Was hat Ihren Verdacht erregt?«
»Schwer zu sagen, Sir. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Haus.«
»Sie hätten zuerst Meldung machen müssen.«
»Das ist mir klar, Sir. Aber die Gelegenheit war günstig, und ich wusste nicht, ob ich noch einmal eine Chance bekommen würde.«
Das war Blödsinn, und Charlie wusste es. Er hätte in dem Haus ein und aus spazieren können, wann immer er wollte. Doch Control schien ihm die Geschichte abzukaufen. Charlie spürte durch das Telefon, wie sich am anderen Ende die Stimmung änderte. Er stellte sich vor, wie Control mit dem Kopf nickte und die Lippen spitzte, wie er es zu tun pflegte, wenn er über neue Informationen nachdachte und eine Entscheidung traf.
»Okay, Charlie«, sagte er nach einer Weile. »Es sieht so aus, als sei da drüben im Augenblick nichts mehr für Sie zu tun. Wir werden uns um einen Rückflug zur Westküste kümmern. Ich melde mich wieder.«
24
Control hielt Wort und arrangierte mit Charlie ein persönliches Treffen für den nächsten Tag. Treffpunkt war diesmal ein anonymes Bürogebäude in Santa Monica kurz vor Wiltshire. Charlie musterte die Namensschilder, die in der Empfangshalle angebracht waren: Management-Firmen, Unternehmensberater und eine Hand voll Film- und Fernsehproduktionsfirmen mit bemüht originellen Namen. Neben dem Schild der Suite Nr. 304 jedoch, zu der Charlie bestellt worden war, klaffte eine Lücke.
Charlie klingelte, und kurz darauf wurde ihm von einem schlanken jungen Mann geöffnet, der höflich beiseite trat, um ihn einzulassen. Das Büro war beinahe so leer wie das Haus an der Ostküste. Nur in
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