Epsilon
müssen. Charlie entschied, dass es einen Versuch wert war.
Jede Faser seines Körpers war bis zum Zerreißen gespannt, aber nach den ersten paar Metern wusste Charlie, dass er es schaffen würde. Schließlich stemmte er sich auf das flache Dach und kroch wie ein Krebs bis an den Rand. Unten, am Hinterausgang der Halle, konnte er den Burschen sehen, der nach ihm Ausschau hielt. Marihuana-Hemd stand möglicherweise immer noch draußen vor dem Vordereingang oder hatte gerade damit begonnen, Charlie drinnen zu suchen. Das verschaffte Charlie genug Zeit, sich die beiden einzeln vorzuknöpfen, was weniger Staub aufwirbeln würde. Er wartete, bis das Ende der Gasse menschenleer war, und sprang.
Der Bursche war völlig überrascht, als er spürte, wie ihn von hinten zwei Hände packten. Er versuchte, nach der Waffe unter seiner Jacke zu greifen, doch Charlie bog ihm den Arm auf den Rücken und ließ ihn schmerzerfüllt aufkeuchen.
»Wer sind Sie?«
»Sie brechen mir den Arm.«
»Hoppla – tut mir leid.«
»Aaaarrgh…«
»Entspannen Sie sich, der Arm ist nur ausgerenkt. Also, wer sind Sie?«
»Ich heiße Jack Cooper. Ich bin Privatdetektiv.«
»Wer hat Sie angeheuert?«
»Keine Ahnung! Au! Gott verdammt! Ich kenne den Namen nicht.«
Charlie hatte keine Zeit, die Wahrheit aus ihm herauszuquetschen. Er musste auf Marihuana-Hemd vorbereitet sein, der jeden Augenblick auftauchen konnte. Ein Handkantenschlag in den Nacken, und der Kerl ging wie ein Sack Kohlen zu Boden. Er würde bald wieder unbeschadet zu sich kommen, auch wenn ihn danach noch eine Zeit lang Kopf- und Schulterschmerzen plagen würden. Charlie schleifte ihn außer Sichtweite, dann versteckte er sich im Schatten und wartete.
Nach zehn Minuten fragte er sich, ob er die Lage falsch eingeschätzt hatte. Dann ahnte er, was geschehen war. Angenommen, die beiden hatten vermutet, dass Charlie sie bemerkt hatte, was hätten sie dann wohl getan? Marihuana-Hemd hätte sich nicht lange damit aufgehalten, die Spielhalle nach ihm zu durchsuchen. Er hätte annehmen müssen, dass Charlie ihnen entwischt war, und daraufhin wäre er – ja, wohin gegangen? Natürlich raus, um Charlies Auto zu beobachten. Es bestand zwar nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass Charlie zu seinem Wagen zurückkehren würde, aber das wäre der nächste logische Schritt im Schlachtplan der beiden Kerle.
Also ging Charlie zum Ende der Gasse, um ein Taxi zu nehmen. Als er die Straße erreichte, wandte er sich nach links, obwohl sich sein Auto in der entgegengesetzten Richtung befand. Er fand zwei Taxis ein wenig weiter die Straße hinauf an einem Taxistand und ließ einem älteren Mann mit einem Krückstock den Vortritt: Hast und Unhöflichkeit führten nur dazu, dass man auffiel.
Erst als Charlies Taxi losfuhr, hörte er jemanden in einiger Entfernung hinter sich »Hey!« rufen. Er drehte sich um und sah Marihuana-Hemd, wie er hinter dem Taxi herlief. Der Fahrer hatte ihn nicht bemerkt und fuhr einfach weiter. Das Letzte, was Charlie von Marihuana-Hemd sah, war, wie dieser mitten auf der Straße stehen blieb und unter sein rot-grünes Hemd griff, um etwas darunter hervorzuziehen. Charlie konnte nicht glauben, dass er hier in aller Öffentlichkeit anfangen würde, herumzuballern. Doch Marihuana-Hemd zog keine Pistole. In seiner Hand lag ein kleines, schwarzes Objekt, aber es war keine Waffe. Nichtsdestotrotz hielt er das Ding wie eine Waffe im Anschlag, als wolle er dem davonfahrenden Taxi hinterherfeuern. In diesem Augenblick bog ein großer Tanklaster unerwartet nach rechts und versperrte Charlie die Sicht.
Gleichzeitig ging etwas sehr Merkwürdiges mit Charlie vor sich. Er registrierte, wie er die Augen öffnete – ohne sich jedoch daran erinnern zu können, dass er sie zuvor geschlossen hatte. Es war nicht bloß ein Blinzeln. Es war, als öffnete er die Augen nach einem kurzen Schlaf. Er sah auf den ersten Blick, dass das Taxi nicht mehr an derselben Stelle war wie noch einen Moment zuvor – wenn es nur ein Moment gewesen war. Es war unglaublich, aber Charlie schien tatsächlich eingeschlafen zu sein.
»Hey, Mister, alles okay mit Ihnen?«
Es war der Taxifahrer, der Charlie im Rückspiegel beobachtete.
»Ja, danke… alles in Ordnung.«
»Sie sind dahinten weggetreten. Dachte schon, Sie hätten ‘nen Herzanfall.«
»Nein, ich bin… ich bin okay… Wie lange war ich weg?«
»Keine Ahnung. Hab bloß in den Spiegel geschaut und gesehen, dass Sie dasaßen, Kopf nach hinten
Weitere Kostenlose Bücher