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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Christopher hier bliebe.«
    Amery sah zu seiner Tochter hinüber, gespannt, wie sie reagieren würde. Sie saß gekrümmt und völlig verspannt auf ihrem Stuhl, den Kopf zwischen den Schultern, den Blick noch immer auf Christopher gerichtet, ohne ihn wirklich zu sehen. Amery stellte seine Tasse auf den Tisch, setzte sich zurück und schaukelte leicht hin und her. Er wählte seine nächsten Worte mit Bedacht:
    »Er hat noch etwas anderes gesagt. Er sagte, dass er und andere – ich weiß nicht, wen er damit gemeint hat, aber offensichtlich gibt es noch andere Beteiligte, eine ganze Reihe sogar, und alle in hohen Positionen – wie auch immer, er sagte, dass er und andere die ganze Situation hier gerne wieder in normale Bahnen lenken würden. Ich fragte ihn, was er mit ›normalen Bahnen‹ meine, und er antwortete, dass er genau das meine, was man bei dieser Formulierung vermuten würde. Ich fragte: ›Wollen Sie damit sagen, dass Christopher und seine Mutter nach Hause gehen und ihr normales Leben wieder aufnehmen können?‹ Und er antwortete, genau das wolle er damit sagen.«
    Susan sah ihn nun unverwandt an, ohne mit den Augen zu zwinkern. Er hätte unmöglich sagen können, ob sie erzürnt war oder Hoffnung aus dem schöpfte, was er ihr erzählt hatte.
    »Tatsache ist«, fuhr Amery daher fort, »dass sie glauben, ihren Standpunkt deutlich gemacht zu haben. Sie haben die Macht, zu tun, was sie wollen, und sie haben gezeigt, dass sie diese Macht, wenn nötig, nutzen. Wenn wir daher bereit sind, mit ihnen zusammenzuarbeiten, können wir alle nach Hause zurückkehren.«
    »Und stehen dann unter Hausarrest?«
    »Wir leben wie normale Menschen, die zugestimmt haben, über eine ganz bestimmte Sache Stillschweigen zu bewahren.«
    »Und falls wir reden, töten sie uns.«
    Es war keine Frage, sondern eine reine Feststellung.
    Amery senkte den Blick. »Ich habe nicht nachgebohrt.«
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Christopher hatte eine Runde mit Sprüngen abgeschlossen und winkte ihnen triumphierend zu. Sie winkten automatisch zurück. Michael begann die Stangen für eine weitere Runde um eine Kerbe höher zu legen.
    »Weißt du«, fuhr Susan schließlich fort, »je mehr ich über die Angelegenheit nachdenke, umso unglaublicher kommt sie mir vor. In was für einem Land leben wir nur?«
    Ihr Vater sah sie traurig an. »In einem Land wie jedes andere«, antwortete er. »Wenn jene, die für seine Sicherheit verantwortlich sind, entscheiden, dass bestimmte Maßnahmen unabdingbar sind, wird entsprechend gehandelt – ohne lange darüber zu diskutieren und ungeachtet möglicher moralischer Einwände. Glaubst du wirklich, dass es irgendein führendes Land gibt, das keine heimlichen Reserven an biologischen oder chemischen Waffen hat, nur für den Fall der Fälle? Wir wissen, dass wir Atombomben besitzen, aber wollen wir wirklich, dass das die einzige Wahl ist, die wir im Ernstfall haben? Die Politiker, die an der Macht sind, legen, was hehre Prinzipien angeht, Lippenbekenntnisse ab, weil das ihr Job ist. Doch hinter ihnen stehen die Leute, die die schmutzige Arbeit machen, die sich nur durch Notwendigkeiten oder reinen Pragmatismus leiten lassen. Denn wenn es darauf ankommt, dann wollen jene, die die Politiker gewählt haben, letztendlich nur eins wissen: Ist unser Land auf die Krise vorbereitet? Kann sie bewältigt werden? Können die Häuser weiterhin im Winter warm und im Sommer kühl gehalten werden, gibt es billiges Benzin für die Autos und genügend tiefgefrorene Steaks und Eiskrem für die Kühlschränke? Und so kommt es, dass die Leute, deren Job es ist, all das zu garantieren, einfach handeln, ohne lange zu fragen. Und wenn sie es für erforderlich halten, wird eben eine neue Waffe oder ein neuer Kämpfertyp entwickelt.«
    Susan hatte ihm erneut den Blick zugewandt. »Das klingt fast, als würdest du das alles billigen.«
    Amery zuckte mit den Schultern. »Ob ich – oder irgendjemand sonst – das billigt, ist irrelevant. Du könntest genauso gut missbilligen, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Die Dinge laufen nun einmal so.«
    Sie saßen wieder eine Weile schweigend nebeneinander und beobachteten Christopher, wie er seine nächste Runde Hürdenspringen begann.
    »Damit willst du also sagen«, fuhr Susan schließlich fort, »dass sie, sofern ich meine Arbeit an diesem Projekt freiwillig weiterführe und sie überzeuge, dass ich nicht länger ein Sicherheitsrisiko bin, dass sie in diesem Falle mich,

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