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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Treggiari
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Lucy hatte sich nicht beklagt – vor allem deswegen nicht, weil sie gar keine Gelegenheit dazu gehabt hatte. Grammalie Rose, die über siebzig sein musste, hatte wortlos neben ihr gearbeitet, ein schwarzes, unter dem Kinn zusammengeknotetes Tuch über dem Kopf. Lucy hatte ihre kräftigen, geröteten Hände mit den kurzen, stumpfen Nägeln betrachtet und gesehen, wie sie Käfer zwischen den Fingern zerquetschte und Erde von den Kartoffeln wischte, bevor sie sie in Plastikeimer und Bottiche warf. Innerhalb kürzester Zeit richtete sie mit einem Minimum an Kraft ganze Reihen von Erbsen auf. Kein Vergleich zu den Ringkämpfen, die Lucy mit den unhandlichen Stangen vollbrachte. Dies war wieder eine dieser Situationen, in denen ihr ihre Tollpatschigkeit nicht gerade förderlich war. Fast konnte sie ihren Bruder Rob brüllen hören: »Lucy hat schon wieder eine Pflanze abgeknickt!«
    Die ganze Zeit wartete Lucy darauf, dass die alte Frau eine Frage an sie richtete oder sie einfach nur ansprach – aber nichts dergleichen geschah. Es war, als würde Grammalie Rose ihre Kräfte sparen. Pflückend und grabend arbeitete sie sich mit gekrümmtem Rücken und in einem stattlichenTempo die Reihen entlang, während Lucy ihr mit einigem Abstand hinterherhechelte. Ihr Rücken war es, der schmerzte, und ihre Knie, und sie schaffte es kaum, den vollen Behälter hinter sich her zu ziehen. Irgendwann erkundigte sich Lucy betont nebenher, wo denn Aidan sei.
    »Irgendwo unterwegs. Sieht sich um oder jagt oder hamstert. Der Junge ist ein Herumtreiber«, antwortete die Alte, bevor sie auf ein Knäuel leuchtend grüner Raupen auf einem Salatkopf zeigte.
    Und nun, da sie endlich am Rand des Ackers angekommen waren und sich auf die Erde setzten, schwieg Grammalie Rose immer noch und beäugte Lucy argwöhnisch. Lucy fühlte sich unbehaglich. Der Gedanke, dass Aidan bestimmt gewusst hatte, was sie erwartete, und sie zum zweiten Mal nicht gewarnt hatte, brachte sie fast zur Weißglut. Aber sie schluckte ihren Zorn herunter, sodass er in ihrem Bauch rumorte und knurrte. Sie biss die Zähne zusammen und warf der alten Frau unter ihrem Pony einen vernichtenden Blick zu. Grammalie Rose setzte nur eine amüsierte Miene auf und zündete sich eine weitere streng riechende braune Zigarette an. Die schwarzen Rauchschwaden rochen stark nach versengtem Haar.
    »Hast du noch nie Bohnen geschält, Żabka?«
    Während sie diese Frage stellte, zog Grammalie Rose die zähen Hülsen von den trockenen Schoten und warf die Bohnen in einen Eimer, wo sie wie Murmeln klackerten. Bei ihr sah alles wirklich einfach aus: das Ende umknicken, den Faden abziehen und die Schote mit dem Daumennagel öffnen,bevor man die violetten und weißen Bohnen in die Handfläche strich und die verschrumpelten auf den Komposthaufen warf. Lucy hatte versucht, Grammalie Rose nachzuahmen, und sich dabei bereits die Finger zerschnitten und den Großteil der Bohnen auf die Erde fallen lassen. Sie waren überall hin gerollt, und Lucy hatte im Traum nicht damit gerechnet, dass man sich mit den trockenen Hülsen wie mit einem dieser großen Briefumschläge in die Haut schneiden konnte. Sie beugte sich vor, ignorierte den Schmerz in ihren Fingern und riss an einem widerspenstigen Faden.
    »Hast du außer Fleisch und Eichelbrei noch etwas anderes zu essen gehabt?«
    »Rohrkolben-Wurzeln und Chicorée«, antwortete Lucy. »Und wilde Zwiebeln.«
    »Kein Wunder, dass du so mager bist. Und keine Kraft hast.«
    »Ich bin heute Morgen einem Tsunami entkommen und habe anschließend die zerklüftete Landschaft überquert«, antwortete Lucy. Sie spürte, wie ihre Ohren rot wurden. Mit Nachdruck warf sie eine Handvoll Bohnen in den Eimer. Ihre Beine schliefen allmählich ein, und es war schier unmöglich, auch nur einen Zentimeter Boden ohne Steine zu finden, auf dem man sitzen konnte. »Sollten wir uns nicht irgendwie vorbereiten, für den Fall, dass die Sweeper zurückkommen?«, fragte sie.
    »Sie werden zurückkommen.«
    Lucy starrte die Alte groß an. »Und?«
    »Und – der Mensch muss essen. Das Leben geht weiter.«
    »Heißt das, wir tun nichts?«
    Grammalie Rose nickte nur und widmete sich weiter ihren Bohnen. Ihr Plastikeimer war schon voll. Sie hakte die Spitze ihres Holzschuhs unter Lucys Bottich und zog ihn näher zu sich heran. Ihre Hände tauchten hinein, kamen nach oben und tauchten wieder hinein.
    Lucy biss sich auf die Zunge. Sie hatte das Gefühl, gleich in die Luft zu gehen.
    »Aber ... das

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