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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Treggiari
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saß und grollte, Stöcke zerbrach, gegen die Wände schlug oder etwas ähnlich Sinnloses tat. Als Henry mit zwei Schalen zurückkehrte, schenkte sie ihm ihr breitestes Lächeln. Er machte einen Schritt zurück, als hätte er das Gleichgewicht verloren. Die Suppe schwappte über die Ränder der Schalen.
    Henry setzte sich und stellte Lucys Essen vorsichtig vor ihr ab. »Na?«, sagte er und grinste wie ein Schwachsinniger.
    »Na?«, antwortete Lucy und beugte sich über ihr Essen.Die Suppe enthielt hauptsächlich Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten. Auf der Oberfläche trieben gehackte Kräuter und einige Tropfen Öl. Für dreißig Leute kam man mit ein paar mageren Kaninchen nicht allzu weit, aber Lucy glaubte fest daran, dass irgendwo in ihrer Suppe doch ein paar Stücke herumschwammen. Während des ganzen Essens fühlte sie Henrys Blick auf sich. Es war ihr peinlich und sie fühlte sich unbehaglich – aber irgendwie auch gut.
    Sie strich sich das Haar zurück und versuchte, ein paar Strähnen mit den Fingern zu glätten und hinter ihre Ohren zu klemmen, aber augenblicklich fielen ihr die Locken wieder ins Gesicht. Lucy gab auf, ließ die Haare einfach, wie sie waren, und lehnte sich zurück. Sie war satt. Ihre Finger kneteten an einem Stück Brot herum, während sie das allgemeine Schwatzen an sich vorbeirauschen ließ. Die Kinder blieben nun nicht mehr auf ihren Plätzen sitzen, sondern rangelten miteinander und spielten Fangen. Sie waren völlig übermüdet und gleichzeitig voller Energie. Lucy fühlte sich an ihren Bruder erinnert. Am Ende des Tages war Rob immer total aufgedreht gewesen – bis er unvermittelt zusammenbrach. Lucy sah zu, wie die Kinder im Kreis und zwischen den Tischen hin und her rannten, wie sie in Leute liefen, die gerade ihre Suppenschalen trugen, und sich von den Händen losmachten, die sie festhalten oder zur Ordnung rufen wollten. Und dann spielten sie auf dem begrenzten Raum ein kompliziertes Spiel, eine Mischung aus Fangen und Blinde Kuh. Ein Junge trug eine Augenbinde und die anderen johlten und riefen und warfen ihm Kiesel vor die Füße.
    Die beängstigenden Ereignisse der letzten Tage verblassten für sie schon wieder. Ein paar Kleinere lagen bereits im Halbschlaf zusammengekuschelt, umklammerten ihre Schmusedecken und lutschten am Daumen.
    Nach Lucys Schätzung war etwa ein Drittel der Campbewohner unter dreizehn. Der Rest setzte sich etwa jeweils zur Hälfte aus jungen Erwachsenen und älteren Leuten zusammen. Es war merkwürdig, sich in einer Umgebung zu befinden, in der Lucy zu den Erwachsenen gehörte und ihre Meinung tatsächlich etwas zählte. Wobei es natürlich, wie sie ärgerlich dachte, schon jetzt danach aussah, als würde sich niemand ihren Ansichten anschließen.
    Lucy beobachtete, wie sich eine größere Gruppe von Leuten an Grammalie Roses Tisch setzte. Sie überlegte, ob es an diesem Abend tatsächlich noch so etwas wie eine Versammlung geben würde. Zum größten Teil bestand die Gruppe aus älteren Menschen, die schon ein wenig gebeugt und grauhaarig waren, aber nicht die grimmige Strenge ausstrahlten, die Grammalie Rose umgab.
    Mit einem Mal brach Lucy der Schweiß aus. Drei von ihnen trugen schwere Umhänge und für einen kurzen Moment sah sie Sammys weiße Maske aufleuchten. Die anderen beiden trugen ebenfalls Masken: Einer sah aus wie eine Katze, mit großen flauschigen Ohren, der andere trug eine blaue Maske mit silbernen Ornamenten. Und dann bemerkte Lucy, dass Aidan ebenfalls dabei war. Er hatte sein leuchtend rotes Sweatshirt an und in seinen von der Sonne gebleichten Haarsträhnen fing sich das Licht. Er beugte sich vor und legteeinen Arm um Sammys Schulter. Er ist sein Bruder! , erinnerte sich Lucy.
    Ohne es zu wollen, blieb ihr Blick an Aidan hängen. Sie registrierte sein kurzes Lächeln, ein leises Raunen, seine fließenden Bewegungen und fragte sich, ob er wohl zu ihr kommen würde oder ob er noch sauer war. Plötzlich tat es ihr leid, dass sie gestritten hatten. Allerdings bedeutete das noch nicht, dass sie jetzt quer über den Platz zu ihm laufen würde! Lucy zupfte ihr Brotstück in kleine Krümel und verstreute sie auf dem Tisch. Dann drehte sie sich auf ihrem Sitz herum, sodass sie in die entgegengesetzte Richtung sah.
    »Deine Augen haben die Farbe des Himmels bei Sturm«, sagte Henry und riss Lucy aus ihren Gedanken. Er stützte sein Kinn auf seine verschränkten Hände.
    Lucy konnte sich gerade noch verkneifen, die Augen zu verdrehen. »Meine

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