ePub: Der letzte Zauberlehrling
ziemlicher Optimist gewesen sein, denn alle Einwände gegen seinen Vorschlag konnten ihn nicht vom Gegenteil überzeugen. Er war sich sicher, die Menschheit könne von einem Kontakt mit den Dämonen nur profitieren. Zum Glück fand er keine Mehrheit und die Sache wurde zu den Akten gelegt.«
Er schwieg einen Moment. »Dämonen«, murmelte er vor sich hin. »Pompignac und seine Helfer wollen wirklich die Dimensionssperre durchbrechen.«
»Was ist eine Dimensionssperre?«, wollte der Kleine wissen.
»Wie ich bereits sagte, ist uns Zauberern seit langer Zeit bekannt, dass es Dämonen gibt. Sie leben zum Glück nicht in unserer Welt, und im Gegensatz zu dem, was immer wieder in Schundromanen behauptet wird, lassen sie sich nicht so einfach herbeirufen, denn sie sind in einer anderen Dimension zu Hause.«
Prometheus zog einen Bleistiftstummel aus der Hosentasche und drückte ihn kurz auf den Briefumschlag des Ministeriums. »Das ist ein Punkt«, erklärte er. »Ein Punkt hat keineAusdehnung und somit auch keine Fläche, zumindest mathematisch nicht. Er besitzt also null Dimensionen.«
Er zog einen Strich durch den Punkt. »Das ist eine Linie. Sie hat eine Länge, also eine Dimension.« Er zeichnete drei weitere Linien, die zusammen ein Quadrat ergaben. »Das ist eine geometrische Figur mit zwei Dimensionen, nämlich Länge und Breite.«
Dann nahm er den Umschlag hoch und rollte ihn zusammen. »Das ist ein Körper. Ein Körper hat drei Dimensionen, nämlich Breite, Länge und Tiefe. Unsere ganze Welt ist eine dreidimensionale Welt. Aber das heißt nicht, dass damit Schluss ist. Es existieren eine vierte und fünfte und unendlich viele weitere Dimensionen, die wir uns nur nicht vorstellen können.«
»Und wo sind diese Dimensionen? Warum sehen wir sie nicht?«, fragte der Kleine.
»Weil wir es nicht können. Als dreidimensionale Lebewesen ist uns der Blick in die vierte und alle weiteren Dimensionen versperrt.« Er legte den Briefumschlag wieder auf den Tisch und zog eines der Blätter hervor. »Stellt euch ein Lebewesen vor, das lediglich in zwei Dimensionen lebt. Dieses Blatt hier ist seine ganze Welt. Das Wesen könnte sich vor, zurück und seitwärts bewegen und auch in diese Richtungen schauen – aber nicht nach oben, denn das wäre ja eine dritte Dimension, die in seiner Welt nicht vorkommt.«
Er setzte seinen Zeigefinger mitten auf das Blatt. »Wenn ich jetzt meinen Finger in die Welt dieses Wesens stecke, dann sieht es lediglich ein etwa kreisförmiges Hindernis, kann den Finger aber nicht erkennen. Es ist so, als ob aus dem Nichts plötzlich eine Barriere aufgetaucht wäre.«
Ich sah den angestrengten Gesichtern der jungen Leute an, welche Schwierigkeiten sie hatten, das zu verstehen. »Wir würden ein vierdimensionales Lebewesen in unserer Welt also nicht erkennen können?«, fragte Agnetha.
»Nein, weil wir nur drei Dimensionen seines Körpers wahrnehmen würden. Die vierte Dimension läge außerhalb unserer Welt. Ein vierdimensionales Wesen würde uns deshalb völlig unerklärlich erscheinen, wie ein Spuk.«
Der Alte warf den Bleistiftstummel auf den Tisch und leerte seine Flasche in einem Zug aus. Die lange Erklärung, die er gegeben hatte, erstaunte mich, denn meistens war er kurz angebunden und tat Fragen eher unwirsch ab.
Im Prinzip war das, was er soeben erläutert hatte, nicht falsch, einmal abgesehen davon, dass er, in typisch menschlicher Ignoranz und Überheblichkeit, die drei Dimensionen seiner Welt zu den fundamentalen Drei erklärt hatte. Tatsächlich existieren die Menschen in den Dimensionen vierzehn bis sechzehn und wir Dämonen besetzen die Dimensionen eins bis vier. Es gibt weitere Wesen, die zum Teil in fünf oder sechs Dimensionen leben und zu denen wir einen losen Kontakt unterhalten (oder zumindest unterhielten, denn was seit meiner Abwesenheit in meiner Heimat geschehen war, konnte ich natürlich nicht wissen).
»Diese anderen Dimensionen enthalten alle andere Welten«, fuhr Prometheus fort. »Und mindestens eine davon wird von den Dämonen bewohnt.«
»Aber woher wollen Sie das wissen, wenn noch nie ein Kontakt zu den Dämonen hergestellt worden ist?«, fragte der Kleine.
»Es ist seit der Zeit Mirrens überliefert«, erwiderte der Alte. Der Kleine blickte vielsagend in meine Richtung. Ganz so dumm war er also doch nicht. Ich war es in der Tat, der Mirren von meiner Heimat erzählt hatte. Wie sonst hätte er davon erfahren sollen? Ich hatte die Hoffnung, dass einer seiner
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