ePub: Der letzte Zauberlehrling
hatte gerade den letzten Ordner geschlossen und war auf dem Sprung, das Büro zu verlassen, als mein Chef persönlich hereinkam. Normalerweise sehen wir ihn nie, denn er ist meistens auf Dienstreise oder in wichtigen Konferenzen. Ihr könnt euch also vorstellen, wie überrascht ich war.
›Fräulein Agnetha‹, rief er, ohne zu grüßen, ›beherrschen Sie Stenografie?‹
Ich nickte. Während meiner Schulzeit hatte ich mal einen Kurs in Kurzschrift gemacht und danach begonnen, ein Tagebuch in Steno zu führen, damit es meine Eltern und mein Bruder nicht lesen konnten. So war ich einigermaßen in Übung geblieben.
›Dann nehmen Sie sich einen Block und Stifte und kommen Sie mit.‹
Als wir durch die langen Gänge des Gebäudes eilten, erklärte er mir in kurzen Worten, worum es ging. Pompignac hatte kurzfristig eine Besprechung für seine Abteilungsleiter einberufen, und meinem Chef war die Aufgabe zugefallen, das Protokoll zu führen. Da seine Sekretärin krank war und alle anderen die Firma schon verlassen hatten, musste ich einspringen.
›Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, dass alles, was Sie gleich hören werden, der allerhöchsten Verschwiegenheit unterliegt‹, ermahnte er mich, als wir vor den hohen Flügeltüren des Konferenzraums ankamen. ›Kein Wort an Ihre Kolleginnen oder Freunde! Das würde die schärfsten Konsequenzen nach sich ziehen.‹
Drinnen warteten bereits die anderen drei Abteilungsleiter mit ihren Assistenten. Auch Iggy war anwesend, was mich ein wenig beruhigte, denn ich war ziemlich aufgeregt. ›Was machst du denn hier?‹, flüsterte er, als ich ihn begrüßte. Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, trat Pompignac in Begleitung zweier Männer ein und alle Anwesenden nahmen Haltung an. Einen der Neuankömmlinge erkannte ich sofort, denn ich hatte sein Foto oft genug in der Zeitung gesehen. Es war der Erzkanzler persönlich. Der andere Mann war hager und hatte ein schmales, hartes Gesicht.
Pompignac nahm mit seinen Begleitern am Kopfende des großen Konferenztisches Platz und forderte uns mit einer Handbewegung auf, uns ebenfalls zu setzen. Ich hockte mich ganz ans Ende der Reihe und beugte mich über meinen Block.
›Meine Herren, ich habe Sie kurzfristig zusammenrufen lassen, weil es um eine Entscheidung von grundsätzlicher Tragweite für unser Unternehmen geht‹, begann Pompignac. ›Wie Sie wissen, haben wir mit Erfolg den Verkauf von Zaubern an das breite Publikum gestartet. Doch offenbar läuft nicht alles so reibungslos, wie wir uns das wünschen würden. Was genau das bedeutet, das wird uns Herr Pathé, der Leiter der Sicherheitspolizei, erläutern.‹
Der hagere Mann erhob sich von seinem Stuhl. ›Meine Herren, die Sicherheitspolizei hat von Anfang an Einwände gegen den freien Vertrieb von Zaubern gehabt.‹«
Agnetha unterbrach ihren Bericht. »Er sprach ebenfalls nur von Herren , so wie Pompignac auch. Meine Anwesenheit schienen sie entweder nicht zu bemerken, oder ich war ihnen einfach nicht wichtig genug, um extra erwähnt zu werden«, beschwerte sie sich und blickte etwas pikiert, als weder Prometheus noch ich darauf reagierten. Sie wartete einen Augenblick ab, dann machte sie mit ihrer Erzählung weiter.
»›Wir haben stets darauf hingewiesen, dass die Bevölkerung nicht reif ist für diesen Schritt, und wir haben recht behalten‹, fuhr Pathé fort. ›Jetzt droht die Lage außer Kontrolle zu geraten. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung habe ich daher vor zwei Stunden verfügt, den Verkauf von Zaubern mit sofortiger Wirkung einzustellen.‹
Er setzte sich wieder. Pompignacs Abteilungsleiter machten schockierte Gesichter, nur der Unternehmer selbst zeigte keine Regung. Er hatte die Information sicher schon vorher erhalten und Zeit gehabt, sie zu verarbeiten.
›Wie ist der Stand der Dinge?‹, wandte er sich an seine Leute.
Mein Chef erhob sich als Erster. ›Wir haben zwölf Filialen eröffnet, weitere fünf stehen kurz davor. Die Ware ist bereits dorthin spediert worden.‹
›Die Produktion läuft auf vollen Touren‹, ergänzte einer seiner Kollegen. ›Wegen der hohen Nachfrage haben wir noch eine zweite Fertigung in Betrieb genommen.‹
›Unsere Werbekampagne ist bis zum Monatsende gebucht‹, fügte Ignatius hinzu. ›Ab morgen ist eine weitere große Plakatkampagne geplant, die sich nicht mehr stoppen lässt.‹
Pompignac erhob sich und ging, die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, im Raum umher. ›Wie Sie sehen,
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