ePub: Der letzte Zauberlehrling
ausrichten sollen. Aber vorerst kümmere ich mich lieber um meine eigenen Sachen. Was Pompignac macht, ist mir egal.«
»Schade.« Sie lächelte traurig. »Aber vielleicht änderst du deine Meinung ja noch.«
»Sei vorsichtig«, ermahnte ich sie.
»Das werde ich.« Am Fuß der Treppe drehte sie sich noch einmal um. »Und du, überleg dir’s noch mal.« Mit diesen Worten verschwand sie aus meinem Blickfeld.
Ich seufzte und schloss die Tür. Prometheus hatte die Gelegenheit genutzt, um sich eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen, und beachtete mich nicht weiter. Samira starrte mich mit großen Augen an und Lothar hatte sich in seine Ecke verzogen. Ich fühlte mich wie ein Verräter. Dabei hatte ich überhaupt nichts Schlimmes getan! Ich wollte nur in Ruhe meiner Arbeit nachgehen können. Gordius hatte immer gesagt: »Politik und Zauberei sollten stets auf Abstand zueinander bleiben.« Selbst wenn Pompignac diese Regel jetzt brach, war das kein Grund für Prometheus, es ebenfalls zu tun.
Ich vermutete, dem Alten ging es lediglich darum, einen persönlichen Feldzug gegen seinen alten Feind zu führen. Und Agnetha durchschaute seine Motive nicht. Ich hatte also gute Gründe, mich nicht an ihren Aktionen zu beteiligen.
Aber warum fühlte ich mich trotzdem so schlecht?
***
Am nächsten Tag traf ich mich mit Papillon, der mir eine Rohrpost geschickt hatte. Das war auch eine der technischen Errungenschaften, die ich erst in Paris kennengelernt hatte. Fast alle Häuser in der Stadt hatten einen Rohrpostanschluss, der allerdings nur dem Empfang von Nachrichten diente (obwohl ich gehört hatte, dass Unternehmen und wohlhabendere Kreise auch über Sendestationen verfügten).
An fast jeder zweiten Straßenecke stand eine Säule, von der aus man eine Nachricht verschicken konnte. Man nahm einen der Metallzylinder aus dem Sammelbehälter neben der Säule, steckte seine Nachricht hinein und schraubte ihn zu. Dann stellte man auf mehreren Drehscheiben aus Metall den Empfänger ein. Es gab eine Nummer für den Stadtbezirk, drei Nummern für die Straße, zwei für das Haus und zwei für den Namen. Wenn alles richtig eingestellt war, warf man eine Münze in einen Schlitz, und es tat sich eine Öffnung auf, in die man den Zylinder mit dem Brief steckte. Der wurde auf einer Art kleinem Aufzug in die Tiefe befördert, bis er eines der unzähligen Rohrpostrohre erreichte. War das Rohr frei, öffnete sich eine Klappe, und der Zylinder glitt in die Röhre. Von dort wurde er per Druckluft bis zum Haus des Adressaten befördert, wo er über einen Verteiler in den Kasten des Empfängers fiel, der gleichzeitig durch einen Klingelton in seiner Wohnung benachrichtigt wurde, dass eine neue Botschaft für ihn eingetroffen war.
Wie das ganze System genau funktionierte, hatte ich nie herausgefunden, aber es war wohl eine sehr komplizierte Angelegenheit. Papillon hatte mir einmal die Funktionsweise erklärt, doch die meisten Einzelheiten hatte ich wieder vergessen.
Er, Agnetha und ich hatten uns ein kleines Café in der Nähe des Ostbahnhofs zum Stammlokal erkoren, das am Rand eines schmalen Kanals lag und in dem vorwiegend Studenten verkehrten. Man konnte an einem Tisch auf dem Gehsteig sitzen und den vorbeiziehenden Lastkähnen zusehen, die ein paar Hundert Meter weiter entladen wurden.
Ich schilderte ihm den Vorfall vom gestrigen Abend. »Dashast du ganz richtig gemacht«, beruhigte er mich, denn er merkte, wie aufgewühlt ich noch immer war. »Aus der Politik sollte man sich raushalten, das ist auch einer meiner Grundsätze.«
Er deutete auf die Straße, die sich auf der anderen Seite des Kanals entlangzog. Dort hielt gerade eine schwarze Limousine, der zwei Männer in knöchellangen Ledermänteln und mit breiten Schlapphüten entstiegen. Sie verschwanden in einem Hauseingang.
»Sicherheitspolizei«, sagte er. »Sie sind seit heute Morgen überall in der Stadt unterwegs.«
Die beiden Polizisten kamen wieder aus der Haustür. Zwischen sich führten sie einen schmächtigen Mann, der eine randlose Brille trug. Kurz bevor sie die Limousine erreichten, riss er sich los und versuchte zu fliehen, aber einer der Männer im Ledermantel stellte ihm ein Bein und der Brillenträger stürzte aufs Pflaster. Die Polizisten rissen ihn grob in die Höhe. Dabei fiel ihm die Brille von der Nase. Er wollte sich danach bücken, aber der Mann zu seiner Rechten zertrat die Gläser mit einem hämischen Grinsen. Dann stießen sie ihr Opfer auf den
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