ePub: Der letzte Zauberlehrling
steckten. Langsam machte ich einen Schritt nach vorn. Vor mir lag der Körper eines Mannes. Er lag auf dem Bauch, und ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Ich erstarrte. War das eine Leiche? Vorsichtig beugte ich mich überden Mann, der reglos vor mir lag. Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich konnte in dem schwachen Licht einfach nicht genug erkennen. Ich stieß der Person mit dem Fuß gegen den Oberschenkel. Nichts. Ich wiederholte meine Aktion, diesmal etwas kräftiger.
Der Mann stöhnte leise und ich machte einen Satz zurück. Dann kam ich wieder heran, hockte mich neben seine Schulter und drehte ihn zu mir hin. Das war schwerer, als ich gedacht hatte, denn sein Körper setzte meinem Vorhaben einen starken Widerstand entgegen. Er ächzte lauter, und als er schließlich auf dem Rücken lag, sah ich auch, warum. Sein Gesicht war blutüberströmt.
Und ich sah noch etwas. Der Mann war Tucker.
Jetzt vergaß ich sämtliche Zurückhaltung. Ich schob meinen rechten Arm unter Tuckers Kopf, richtete ihn vorsichtig ein wenig auf und untersuchte ihn genauer. Er hatte zwei große Platzwunden an der Stirn, seine Augen waren zugeschwollen und seine Lippen aufgequollen. Jemand hatte ihn übel zugerichtet.
»Tucker!«, rief ich. »Tucker, wach auf!« Aber der Händler antwortete nicht. Ich musste ihn schnellstens hier rausbekommen und zu Gordius schaffen. Aber wie? Ich konnte ihn unmöglich die ganze Strecke tragen.
Ich beschloss, ins Dorf zu laufen und einen Wagen zu holen. Es gefiel mir zwar nicht, Tucker hier allein zu lassen, aber ich hatte keine andere Wahl. Doch zuerst rannte ich zu meiner Tasche, holte eine Wasserflasche und ein Hemd heraus und kehrte damit zu Tucker zurück. Ich ließ das kalte Wasser auf das Hemd laufen und legte es dem Verletzten auf die Stirn.Tucker stöhnte erneut, war aber immer noch ohne Bewusstsein.
Ich raste zurück zur Straße, markierte den Anfang des Trampelpfads mit meiner Tasche und rannte los in Richtung Dorf. Bis dorthin würde ich mindestens fünfzehn Minuten brauchen. Hinter dem Maisfeld lag ein bereits abgeerntetes Kornfeld. Direkt am Wegrand stand ein schmaler Holzkarren. Ich blieb stehen, hob probeweise die Deichseln an und ging ein paar Schritte. Der Wagen ließ sich mühelos ziehen. Das schien mir die beste Lösung für Tucker zu sein.
Ich zog den Karren zurück bis zum Trampelpfad. Jetzt musste ich den verletzten Mann nur noch hierherschaffen. Erneut stürzte ich mich ins Maisfeld. Tucker lag noch immer bewusstlos da. Ich ging hinter ihm in die Hocke, schob meinen rechten Arm unter seiner rechten Achsel durch und packte von der anderen Seite den Unterarm mit meiner Linken. Dann hob ich Tucker an.
Er war schwerer, als ich gedacht hatte. Zunächst hatte ich das Gefühl, ihn überhaupt nicht hochzukriegen. Ich spannte meine Beinmuskeln an und drückte mich langsam nach oben. Zentimeter um Zentimeter gelang es mir, mich aufzurichten. Tucker stöhnte, blieb aber bewusstlos. Ich schleifte ihn bis zum Weg zurück, wo ich ihn neben dem Karren ablegte. Jetzt musste ich ihn irgendwie da draufbefördern. Ich atmete ein paar Mal tief durch, um wieder zu Atem zu kommen. Dann versuchte ich, den Karren nach hinten zu neigen, was aber misslang, weil das Gewicht der Deichseln ihn immer wieder nach vorne kippen ließ.
Inzwischen war es so dunkel geworden, dass ich kaum nochetwas sehen konnte. Kurz entschlossen nahm ich Tucker auf und zog ihn zwischen den beiden Deichseln hindurch, bis ich gegen den Wagen stieß. Ich setzte mich, zog meine Beine an und schob mich rückwärts hoch. Als Tucker halb auf der Ladefläche lag, kniete ich mich hinter ihn und zerrte ihn so weit, bis ich die Mitte des Wagens überquert hatte und er langsam begann, sich nach hinten zu neigen. Ich ließ den Körper los, kletterte vom Karren und zog den Händler dann so weit ans Ende, bis nur noch seine Füße über den vorderen Rand baumelten. Dann packte ich meine Tasche vorsichtig neben ihn, stellte mich zwischen die Deichseln, hob sie an und trottete los.
Mit meiner improvisierten Rikscha konnte ich Tucker direkt zu Gordius fahren und brauchte nicht den Umweg übers Dorf zu machen, wo ihm sowieso keiner helfen konnte. Der Mann stöhnte bei jedem Schlagloch auf, aber das ließ sich nicht vermeiden. Es war eine bewölkte Nacht, und nur ab und an kam die schmale Sichel des Mondes zum Vorschein, um wenigstens ein bisschen Helligkeit zu spenden.
Insgesamt dauerte es bestimmt eine Stunde, bis ich endlich in den
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