ePub: Drachenhaut (German Edition)
spazierten durch die Gärten oder saßen in den Innenhöfen.
Aber es gab eine Stunde, mitten in der Nacht, in der das Getriebe immer ein wenig abzunehmen pflegte, und das war die Stunde des dritten Wachwechsels. Die Hofbeamten hatten sich nach Hause begeben, um vor der ersten Audienz noch ein wenig Erholung zu bekommen, die Küche des Serails war sauber und aufgeräumt und wartete auf die Küchensklaven, die die Öfen erneut anfeuern und das Morgenmahl bereiten würden, die meisten Sklaven hatten sich für einen hastigen Schlummer auf ihre Strohlager geworfen, in den Stallungen war es dunkel und still, und selbst diejenigen unter den Höflingen, die von heftigeren Schlafstörungen geplagt wurden, lagen nun in ihren Seidenkissen und starrten mit brennenden Augen in die Dunkelheit über ihrem Lager.
Dies war die Stunde, da Aspantaman die Tür zu den Gemächern des Prinzen aufschob und vorsichtig den Kopf in den Gang streckte. Er dämpfte das Licht der Lampe, bis sie nur noch einen matten Schimmer auf den hellen Marmorboden warf, und nickte seinem Zögling zu.
Beide trugen dunkle Umhänge und hatten die Kapuzen tief in die Stirn gezogen. Sie gingen mit leisen, schnellen Schritten nebeneinander her und lauschten, ob jemand sich ihnen näherte, sie anrief, nach ihrem Woher und Wohin fragte.
Auf dem Weg durch den Palast begegnete ihnen niemand, aber dann betraten sie den Hof, den es zu überqueren galt, um zu den Stallungen zu gelangen. Er schien auf den ersten Blick leer, aber als sie sich anschickten, an der Hauswand entlang zu ihrem Zielzu huschen, rief eine Stimme barsch: »Wer da? Wer schleicht im Dunkeln herum? Zeige dein Gesicht, wenn du keine finsteren Absichten hegst.«
Aspantaman knurrte einen Fluch, warf hastig seinen Mantel über die Lampe und schob den Prinzen in den tiefen Schatten eines Mauervorsprungs. Dann trat er mit festem Schritt hinaus auf den Platz und antwortete: »Nur die Ruhe, Emet, ich bin es.«
Der Wächter schob den bereits halb aus der Scheide gezogenen Säbel wieder zurück. »Aspantaman«, sagte er mit leisem Vorwurf, »warum schleichst du wie ein Dieb oder Meuchler durch die Nacht?«
»Nur, weil ich nicht schlafen kann, muss ich nicht gleich das ganze Serail aufwecken«, erwiderte Aspantaman. »Aber wenn ich geahnt hätte, dass ich dich damit zu Tode erschrecke, wäre ich laut singend durch die Nacht gezogen.«
Die Wache lachte und hob die Hand zu einem gespielten Fausthieb. »Geh deiner Wege, Obersteunuch. Aber wundere dich nicht, wenn jemand, der ängstlicher ist als ich, dich erst erschlägt und dann nach deinem Namen fragt.«
»Ich werde deinen Rat für künftige nächtliche Spaziergänge gerne beherzigen, Emet«, antwortete Aspantaman. »Ich wünsche dir eine ruhige Wache.«
Er nickte dem Wächter zu und ging mit langsam schlendernden, gleichmäßigen Schritten weiter, bis Emet den Hof in der Fortsetzung seines Rundganges verlassen hatte. Dann lief er leise zum Versteck des Prinzen zurück und warf den Mantel wieder über. »Er ist weg ‒ laufen wir«, sagte er leise.
Sie rannten geduckt quer über den Hof und retteten sich in die Nische des Stalleingangs. Die Fenster des Seitentraktes, indem Diensträume und die Schlafquartiere der Dienerschaft untergebracht waren, blickten wie vorwurfsvolle Gesichter genau auf diesen Eingang und schienen sie aufzuspießen.
»Ist der Eingang verriegelt?«, fragte Amayyas nervös.
Der Erzieher zog wortlos an der Tür und öffnete sie.
Im Stallgebäude war es stockdunkel. Die Geräusche der Tiere machten es unmöglich, eine menschliche Anwesenheit zu erlauschen. Aspantaman entzündete die Lampe und hob sie über den Kopf. Der unstete Lichtschein ließ die Schatten tanzen und weckte einen Esel, der zu schreien begann. Andere fielen ein. »Verdammt«, flüsterte Amayyas. »Mach das Licht aus!«
»Zu spät«, erwiderte der Eunuch und kam dem Befehl nach. »Der Stallmeister wird jetzt wach sein. Dort!« Er deutete auf einen Berg Stroh, neben dem einige Kisten gestapelt standen. Sie verbargen sich dahinter und warteten.
Schritte trampelten herbei, eine tiefe Stimme brummte und schimpfte. »Verdammter Bengel«, hörten sie den Stallmeister knurren. »Macht mir die Tiere verrückt.« Sie hörten, wie er zum anderen Ende des Stalles ging und dort mit jemandem schimpfte.
»Wusstest du, dass ein Stalljunge hier schläft?«, fragte Amayyas flüsternd.
Der Eunuch schüttelte schweigend den Kopf. Er zog die Kapuze tiefer und stützte die Hände auf
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