ePub: Drachenhaut (German Edition)
Düsterkeit mit seiner guten Laune und der Treue, mit der er an ihrer Seite war. Er brachte sie zum Lachen, wenn die unerklärliche Traurigkeit sie überfiel.
»Keine Rakshasa?«, nahm sie den Faden auf und gähnte. »Wie meinst du das?« Sie säuberte ihre Pfoten und zog mit den Zähnen die Kletten heraus, die sich in ihrem Fell verfangen hatten.
»Leoparden«, erwiderte Udad. »Soll ich deinen Kopf lecken?«
Lilya wehrte ab. »Später«, sagte sie. »Du meinst, echte Leoparden? Keine Wermenschen wie ihr?«
Udad lachte grollend. »›Echt‹ ist gut. Wir sind die echten. Die anderen sind nur große Katzen ohne Verstand.«
Lilya lachte mit ihm. Dann dösten sie wieder, aneinandergeschmiegt, während die Fliegen summten und die Sonne erbarmungslos auf die Ebene hinunterbrannte.
Er hockte neben ihr, die Hände entspannt auf seinen Knien ruhend. Sie fühlte den Blick seiner Opalaugen mehr, als sie ihn sah. Es mutete sie seltsam an, dass er kein Fell hatte, keine beweglichen Ohren, einen schmalen, nackten Kopf mit flachen Gesichtszügen, spinnendünne Arme und Beine und, das Seltsamste von allen, keinen kräftigen, langen Schwanz.
»Naga«, sagte sie. »Du siehst komisch aus.«
Er lächelte und seine gegabelte Zunge fuhr schnell und prüfend zwischen den schmalen Lippen hervor. »Du fühlst dich wohl in deinem Rudel?«
Sie streckte sich. »Sehr«, sagte sie. »Sogar Ittû ist inzwischen beinahe nett zu mir.« Ittû war eifersüchtig, und zwar vollkommen grundlos. Aghilas war schließlich Lilyas Bruder ‒ und wenn jemand sich wirklich um sie bemühte, und das nicht ohne Erfolg, dann war es wohl Udad, der jüngste Mann im Rudel. Er hatte noch keine Partnerin und hätte sich, wenn Lilya Aghilas nicht hierher gefolgt wäre, schon längst auf den Weg quer durch die Wüste zu einem Rudel am Fuß der Drachenberge gemacht, um dort eine Gefährtin zu finden.
»Willst du hierbleiben?«, fragte Der Naga. Der Tonfall seiner Frage war neutral und freundlich, aber sie konnte einen bedauernden Unterton erkennen, der sie irritierte.
»Ja«, erwiderte sie zögernd. »Ich denke schon.« Seine Frage nagte an ihr. Manchmal, nachts, wenn sie unter dem weiten Bogen des bestirnten Himmels lag, glaubte sie einen Ruf zu hören. Eine Stimme, die ihren Namen rief. Jemand wollte, dass sie das Rudel verließ und etwas tat ‒ aber was nur?
Am Tag hörte sie diese Stimme nicht, aber die Erinnerung daran machte sie nervös und rastlos. Da war etwas, was sie vergessen hatte. Was war es nur?
Der Naga zuckte leicht mit den Schultern. Sein glattes Gesicht war ausdruckslos. »Es ist deine Entscheidung. Du hast ein gutes Leben hier, dies ist ein starkes Rudel. Du bist keine vollblütige Rakshasa, aber das stellt kein Hindernis dar, wie ich sehe.« Er machte Anstalten, sich zu erheben.
»Warte«, sagte Lilya, plötzlich von einer Angst gepackt, die sie nicht benennen konnte. »Was ist, wenn ich hierbleibe? Was geschieht dann?«
Der Naga sah sie fragend an. »Was sollte denn geschehen?«
Lilya suchte nach Worten. Ihre Katzengedanken kämpften darum, die Oberhand zu behalten, aber tief darunter, schlummernd, regte sich die Lilya, die keine Rakshasa war, und begann zu erwachen.
»Warte«, rief sie atemlos. »Warte, ich habe etwas vergessen.« Sie rang mit dem, was an ihr Katze war. Das war nicht alles, was sie war. Sie war Leopard und Mensch und ... noch etwas. Etwas Großes, Dunkles, Gefährliches und Mächtiges.
Lilya schreckte zurück, als sie es berührte, und schauderte.
»Naga«, sagte sie kläglich, »was bin ich?«
Der Schlangengott wandte den Blick nicht ab. »Du bist Lilya, Tochter von Tayri und Agerzam, Schwester von Aghilas, Nichte von Tedus und Gwasila, Enkelin des Drachen«, zählte er auf.
Lilya schloss die Augen. »Noch nie in meinem Leben hatte ich eine so große Familie.« Sie stand auf und schwankte leicht. »Du hast mich geweckt«, sagte sie nicht ohne Vorwurf. »Jetzt muss ich wohl gehen.«
Der Naga hob die Schultern. »Du musst nicht. Bleib hier und sei glücklich.«
Lilya blickte in ihre Erinnerungen und seufzte. »Ich habe vergessen, dass jemand meine Hilfe braucht. Ich schäme mich.«
Der Naga erwiderte nichts. Er stand ebenfalls auf, und sein Schatten war größer und mächtiger als seine schlanke Gestalt. Der Schatten breitete Schwingen aus, die den Himmel zu verdunkeln schienen. Dann war er fort und sein Schatten mit ihm.
Lilya holte trotzig Luft und trottete zum Wasser hinunter, um Aghilas zu suchen.
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