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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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hat, und es ihr zeigte, hat sie laut geschrien. »Wirf es weg«, hat sie gerufen und wieder die Götter und Schutzgeister um Hilfe gebeten. »Das ist böser Zauber. Er wird dich krank machen, er wird dich töten. Gib es deiner Ajja, damit sie es für dich ins Feuer wirft!« So hat sie lamentiert, aber ich habe nicht auf sie gehört. Sie ist immer so ängstlich und glaubt, dass alles Mögliche mich krank macht oder noch schlimmer.
    Ich habe sie gefragt, was die Zeichen bedeuten, aber sie wollte es mir nicht sagen. Ich male sie dir hier einmal auf. Es fällt mir erstaunlich schwer, diese Schnörkel und Kringel genau zu kopieren, obwohl ich immer dachte, ich sei geschickt mit der Feder. Aber sie s cheinen sich unter meinem Blick zu winden und dagegen zu wehren, auf Papier gebannt zu werden. Aber der Widerstand nützt ihnen nichts, wie du siehst.
    Seelenbruder, ich weiß jetzt, wer dieser Mann ist, den ich im Basar traf. Erinnerst du dich an das Buch, von dem ich dir erzählt habe? Das mit den vielen Bildern von Dämonen und Geistern und seltsamen Tieren? Darin habe ich ihn gesehen. Ich weiß, dass er es ist, obwohl er in dem Buch einen Schlangenkopf auf den Schultern trug. Großvater muss es mir noch einmal heraussuchen, denn ich habe nicht mehr in Erinnerung, was dort geschrieben stand. Ich erinnere mich nur noch an den Namen des Mannes: Der Naga.

    »Was schreibst du da?«, fragte Kobad, der so leise eingetreten war, dass sie ihn nicht gehört hatte. Lilya fuhr zusammen und deckte schützend die Hand über das kleine Büchlein.
    »Nichts, Baba«, stotterte sie. »Ich schreibe nur meine Gedanken auf. Ganz allein für mich. Es ist nicht wichtig.« Sie schlug das Buch zu und schob es in ihre Tasche.
    Ihr Großvater stand da, auf seinen Stock gestützt, und blickte nachdenklich auf sie herunter. »Ich will es nicht lesen«, sagte er. »Sorge dich nicht, dass ich in deine Gedanken dringe, Kind. Es ist gut, sie aufzuschreiben. Aber du solltest dafür sorgen, dass deine Aufzeichnungen nicht in weniger sorgsame Hände fallen, als meine es wären.« Er lächelte und legte seine Hand auf ihren Kopf. Er drehte sie ins Licht und betrachtete sie prüfend. »Hast du deinen Ausflug genossen? Du siehst angegriffen aus.«
    Lilya erwiderte seinen Blick so gerade und aufrichtig, wie sie nur konnte. Sie hatte Ajja mit Drohungen und Flehen dazu gebracht, ihr zu versprechen, dass sie dem Beg nichts von der Aufregung im Basar verriet. Teto würde im eigenen Interesse darüber schweigen. Lilya wusste nicht, warum es ihr widerstrebte, dem Beg von ihrem Erlebnis zu erzählen, aber es erschien ihr falsch. Er würde sich aufregen. Er würde Teto bestrafen und Ajja ebenfalls. Und er würde ihr verbieten, wieder in die Stadt zu gehen.
    »Es war sehr schön, Baba«, sagte sie deshalb, »aber ich bin es nicht gewöhnt, und deshalb bin ich wohl etwas müde.« Sie lächelte ihn an. »Aber ich habe schöne Dinge gekauft.«
    Er zog sich einen Hocker heran, ließ sich darauf nieder und legte wieder seine Hand auf ihren Kopf. »Hast du dort Schmerzen?«, fragte er und berührte sehr vorsichtig ihre Braue an der Stelle, die auch Der Naga berührt hatte. »Es sieht gerötet aus, wie eine frische Wunde.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Großvater. Ich habe es auch gesehen, aber es tut nicht weh.« Sie presste die Lippen aufeinander. Ja, sie hatte es gewagt, in einen ganz normalen Spiegel zu blicken ‒ etwas, was sie sonst strikt zu vermeiden suchte. Aber in dem Zauberspiegel, den ihr Großvater ihr geschenkt hatte, war an der Augenbraue ein heller, roter Fleck zu sehen gewesen, dessen Anblick sie erschreckt hatte, und deshalb hatte sie den Blick in den Spiegel über dem kleinen Schrank gewagt. Sie hatte sich gezwungen, das Gesicht zu mustern, das sie dort ansah. Die vernarbte, hässliche Haut rund um ihr böses Auge. Das böse Auge selbst, dessen Blick ihr so trüb und widerlich erschien. Dort, in diesem verhassten Spiegel, war das Mal noch deutlicher zu sehen gewesen, es war brennend rot wie eine Feuerblume und zog sichbis zum Augenwinkel hinunter. Lilya hatte schaudernd ihren Schleier vor das Auge gezogen und sich vom Spiegel abgewandt.
    Der Beg nickte, aber seine Miene war besorgt. »Zeig es mir morgen wieder«, sagte er. »Ich muss wissen, ob es zurückgeht.« Unausgesprochen klang der Zusatz »oder sich ausbreitet« durch die Luft. Lilya schauderte. Reichte es nicht, so gezeichnet zu sein, wie sie es war? Musste es denn wirklich noch schlimmer

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