ePub: Drachenhaut (German Edition)
seine menschliche Seite mit dem Panther um die Vorherrschaft. Er wollte nicht hier sein. Er wollte nicht mehr flüchten oder gar kämpfen. Wenn das Mädchen ihn aus seinem Blick entließ, würde er eine letzte Anstrengung unternehmen und sich ins Dunkel retten. Dann konnte er abwarten, bis die Aufregung sich gelegt hatte, und durch die Nacht zurück in das Serail schleichen. In seine Gemächer. Sein Gefängnis für die nächsten Wochen. Wieder knurrte er, aber es war ein Knurren der Verzweiflung, nicht der Wut.
Das Mädchen kniete nieder und legte die Hand auf seine Schulter. »Bist du krank?«, fragte sie besorgt. Der düster glimmende Funke in ihrem seltsamen Auge wurde heller. »Du siehst elend aus. Kann ich dir helfen? Ich habe eine Sänfte irgendwo dort draußen stehen.« Sie lächelte. »Wenn ich sie wiederfinde, heißt das.«
Er fühlte die Präsenz der Männer, die langsam herankamen. »Lilya Banu«, rief der eine, den sie Teto genannt hatte, beschwörend. »Hab keine Angst, aber geh langsam zurück. Ganz langsam und vorsichtig. Wir können nichts tun, wenn du so vor ihm kniest.«
»Halt den Mund, Teto«, sagte sie scharf.
Amayyas erhob sich langsam und schwankend. Ihr Blick folgte ihm. Die Männer schrien durcheinander. Einer von ihnen hielt eine Armbrust, die er nun entschlossen hob, um auf ihn zu zielen. Ein dicker Mann fiel ihm in den Arm. »Du wirst sie verletzen«, hörte Amayyas ihn rufen.
»Was habt ihr vor?«, rief das Mädchen und drehte sich um. Dabei zog sie hastig ihren Schleier vors Gesicht. »Wollt ihr den Mann töten? Er hat mir nichts getan! Er ist selbst verletzt, seht doch.«
Amayyas nutzte die Gelegenheit, sich langsam rückwärts ins Dunkel zu schieben.
»Was für ein Mann?«, brüllte einer der Männer. »Hat der Yuzpalang sie verhext?«
»Mädchen, sei vernünftig. Komm her zu uns, weg von der Bestie«, schrie ein anderer. Amayyas ging langsam weiter zurück. Schritt für Schritt. Dann stieß er gegen etwas, das seinen weiteren Rückzug behinderte. Ein kahlköpfiger Mann stand hinter ihm, breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah lächelnd auf ihn herab. Seine Augen schimmerten im schwachen Widerschein der Fackeln wie Opale. Er öffnete die Lippen und eine gespaltene Zunge schob sich witternd hinaus.
»Hast du Ärger, mein Junge?«, fragte Der Naga.
Der Panther warf sich herum, um zu fliehen. Namenlose Angst packte ihn, schüttelte ihn, riss an ihm mit eisernen Klauen. Der Mensch, der er zur Hälfte war, kämpfte verbissen darum, die Oberhand zu bekommen. Dies war der Feind. Er sollte sich auf ihn stürzen und ihn töten!
Er sah, wie das Mädchen mit energischer Hand die Männer, die sie umringten und fortzerren wollten, beiseiteschob und abschüttelte. »Brauchst du Hilfe?«, rief sie. Ihr seltsames Auge war durch den Schleier verdeckt und hatte keine Kraft mehr, ihn zu bannen.
Sie erstarrte. »Oh«, sagte sie verblüfft. Aber auch jetzt war keine Furcht in ihrem Gesicht zu erkennen, nur Erstaunen.
Amayyas stand zwischen ihr und Dem Naga, unfähig, sich zu bewegen. Der Panther wollte fliehen, der Mensch wollte sich auf den Schlangengott stürzen und ihn töten. Der Mensch wollte dem Blick des seltsamen Mädchens entkommen, der Panther sich auf sie stürzen. Amayyas konnte keinen Muskel mehr bewegen.
D RACHENGOTT
Der Naga schob sich mit einer geschmeidigen Bewegung an dem Panther vorbei und ging auf Lilya zu. Er winkte beiläufig zu den Männern hinüber, die augenblicklich in eine Zauberstarre fielen. Sogar das Fackellicht hörte auf, im Luftzug zu tanzen.
»Du?«, sagte Lilya. »Du warst das vorhin in meiner Sänfte, ich erinnere mich wieder. Warum verfolgst du mich? Was willst du von mir?«
Der Naga hob die Hand, um ihren Schleier zu lüften. »Sieh mich an, Tochter meines Freundes«, sagte er leise. »Es ist an der Zeit, dass du dich dem stellst, was dir vorbestimmt ist. Fürchte dich nicht, Kind meines Volkes. Siehst du das Tier, das hinter mir im Dunkeln kauert? Er ist dein schlimmster Feind. Aber wenn es dir gelingt, ihn zu zähmen, wird er dir treu dienen.«
Lilya warf einen flüchtigen Blick auf den Werpanther. Sie runzelte die Stirn. »Ich kann dort nur einen jungen Mann erkennen. Er sieht erschöpft aus und er ist verwundet.«
Der Naga lächelte schwach. Er berührte ihre Stirn über dem bösen Auge. Lilya bog unwillig den Kopf zur Seite und griff nach ihrem Schleier. Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte Der Naga ihr Handgelenk gepackt.
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