ePub: Drachenhaut (German Edition)
dass es vorbeiging ‒ was auch immer gerade mit ihr geschah.
»Das sind wirklich interessante Muster«, sagte die fremde Stimme. »Werden diese lächerlichen Zaubergegenstände diesen hier nachgebildet?«
Der andere antwortete nicht sofort. »Nein, Großedler«, sagte er dann zögernd. »So kann man es nicht sagen. Sie werden hieraus vielmehr gewonnen.«
»Ah«, machte der andere. »Ich glaube, ich verstehe. Woher ‒ hm ‒ hast du dieses hier?«
Der Magush räusperte sich. »Man kann sie gelegentlich auf Sklavenmärkten erstehen, wenn man weiß, an welche Händler man sich zu wenden hat. Du hast die Jagd auf Drachenhäute für legal erklärt, mein König. Ich hätte mir also noch nicht einmal etwas zuschulden kommen lassen, wenn ich es einem Drachentöter abgekauft hätte.«
»Und ‒ hast du das getan?«
»Nein, Großedler«, erwiderte der Magush kalt. »Dieses Exemplar ist auf anderem Wege in meine Hand gelangt. Ich habe viel Zeit, Mühe und Geld in seine Aufzucht gesteckt. Es ist ein wirklich schönes, starkes Exemplar, und ich schätze mich glücklich, dass es zum Wohle deines Sohnes dienen wird, statt einem anderen, profaneren Zweck zugeführt zu werden.«
Der andere lachte leise. »Habe ich dich beleidigt, Kobad? Du bist zu empfindlich.« Er beugte sich wieder über Lilya. Erneut fühlte sie die Berührungen, die ihr so widerwärtig waren. Finger fuhren den Linien auf ihrer Haut nach und betasteten sie wie ein Stück Fleisch, das zum Verkauf auslag.
»Sehr hübsch«, sagte der Shâya. »Versteht es etwas von dem,was hier geschieht? Es macht einen durchaus verständigen Eindruck auf mich.«
»Es ist in einem gewissen Rahmen vernunftbegabt«, erklärte der Magush. »Aber du solltest dich nicht vom äußeren Anschein täuschen lassen. Diese Wesen besitzen keine menschliche Seele und kennen keine wahren Gefühle. Allerdings sind Drachen in der Lage, menschliches Verhalten täuschend echt nachzuahmen. Du hast doch sprechende Papageien und dressierte Affen in deiner Menagerie, Shâya. So ähnlich musst du dir dies hier denken. Es ist nur etwas raffinierter und weiter entwickelt als andere Tiere.«
Wovon reden sie nur, dachte Lilya und rang verzweifelt darum, ihre trägen Gedanken zu beschleunigen. Ich muss unbedingt verstehen, wovon sie reden. Es scheint etwas mit mir und der schrecklichen Lage zu tun zu haben, in der ich mich befinde.
Sie hörte die nächsten Worte nicht, weil sie mit sich und ihrem widerspenstig-trägen Bewusstsein kämpfte, und merkte erst auf, als der Magush sagte: »... mit deiner Erlaubnis den Prinzen aufsuchen, um ihn auf das Kommende vorzubereiten.«
»Du hast die Erlaubnis, dich frei zu bewegen«, erwiderte der Shâya. »Ich werde Aspantaman anweisen, dir in jeder Hinsicht zu Diensten zu stehen.«
Die Stimmen entfernten sich, eine Tür ging auf und schlug wieder zu. Nach einem kurzen Moment der Stille näherten sich erneut Schritte dem Tisch. Sie hörte die Stimme des Magush. Er sprach in dieser hässlichen, rauen und zischenden Sprache, mit der er auch die Beschwörung gewirkt hatte. Dieses Mal erhielt er eine Antwort: Eine grässliche Stimme, die in ihren Ohren schmerzte wie das Kreischen von Nägeln auf einer Schiefertafel,antwortete in derselben Sprache. Es entspann sich ein schneller Wortwechsel, der sich wie ein Streit anhörte. Lilya krallte die Nägel in das weiche Holz der Tischplatte. Kälte kroch in ihre Knochen, schüttelte ihre Glieder, machte ihre Zähne klappern.
Der Streit endete mit einem dumpfen Geräusch, als würde ein Korken aus einer Flasche gezogen. Dann wieder Schritte, eine Berührung. »Ich lasse dich jetzt in dein Bett gehen«, sagte Kobad.
Lilya blinzelte in sein Gesicht, das hager und blass im Schatten der Kapuze lag. Die Auseinandersetzung schien ihn erschöpft zu haben.
Der Magush löste den Fesselbann und half ihr, sich aufzusetzen und vom Tisch zu steigen. Lilya schlotterte vor Kälte. Sie fühlte sich schwach und ausgelaugt. Wie sollte sie nun zurück in ihr Zimmer kommen?
»Heule nicht herum«, sagte der Beg nicht unfreundlich. »Hier, das wird dich wärmen.« Er warf ihr einen dunklen Djilbab mit Kapuze zu, in den sie erleichtert hineinschlüpfte wie in ein Versteck. Das lange Gewand war weich und warm und etwas zu groß. Es sah aus wie eins der Mantelkleider, wie sie von Dienerinnen getragen wurden, wenn diese aus dem Haus gingen.
Lilya raffte den Saum und zog hastig ihre Sandalen an, denn der Steinboden ließ ihre Füße zu Eis
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