ePub: Juniper Berry
Vatersim Türrahmen auf. Er warf einen kurzen Blick ins Zimmer und flüsterte: »Sie schläft. Wir müssen jetzt gehen.«
Mrs. Berry zog ihren Mann von der Tür weg. »Wir brauchen es! Es ist wichtiger als alles andere. Ich glaube, ich würde sterben ohne …«
»Leise! Sie könnte dich hören. Wir dürfen sie nicht mit hineinziehen. Niemals! Komm jetzt.«
Ihre Eltern verschmolzen mit den Schatten.
Juniper schnellte komplett angezogen in ihrem Bett in die Höhe, als hätte sie jemand mit einer glühenden Nadel gestochen, beugte sich zu ihrem Nachttisch hinüber und griff nach dem Fernglas. Sie atmete tief ein und trat ans Fenster. Draußen lag der Garten in völliger Dunkelheit. Sie hielt sich das Fernglas vor die Augen.
Die neueste Ergänzung ihrer Sammlung war ein Nachtsichtaufsatz für ihr Fernglas. Sie hatte ihn sich schon lange gewünscht und schließlich zu ihrem letzten Geburtstag bekommen. Der Chauffeur hatte ihn ihr in einer blauen Schachtel überreicht, zusammen mit einer Karte, auf der »Alles Liebe, Mom und Dad« stand. Sie bekam zwar immer noch Geschenke zu ihrem Geburtstag oder zu Weihnachten, aber ihre Eltern waren, wie an den meisten anderen Tagen, für gewöhnlich nicht da.
Und jetzt würde sie herausfinden, warum.
Sie suchte den Garten ab und wartete darauf, ihre Eltern im strömenden Regen auftauchen zu sehen. Die Welt schien nur noch aus verschiedenen Grüntönen zu bestehen. Es gab Hellgrün und Olivgrün, Gelbgrün und Dunkelgrün,Tannengrün und Neongrün, Frühlingsgrün und Grasgrün. Aber erstaunlicherweise war alles klar zu erkennen. Sie sah die Bäume, das Gras, die Nachttiere, die Gartenlaube, den prallen Mond und die Regentropfen, die auf das Wasser des Pools prasselten, in allen Einzelheiten. Sie sah die Welt, als würde sie von einer neongrünen Sonne erhellt.
Aber ihre Eltern blieben unsichtbar. Hatte sie sich doch geirrt? Gab es keinen Zusammenhang zwischen dem Verhalten ihrer Eltern und dem Baum, den sie und Giles untersucht hatten?
Die Zimmertür öffnete sich knarrend.
Juniper schnappte nach Luft und fuhr herum. Ein Schatten kam über den Teppich auf sie zu, ein katzenhaft geformter Schatten. Juniper seufzte erleichtert. Es war nur Kitty. Es tröstete sie, ihren Hund zu sehen und zu wissen, dass sie nicht allein war. Und sie war sich ziemlich sicher, dass es Kitty genauso ging.
Kitty sprang auf das Bett. »Du spürst es auch, nicht wahr?«, flüsterte Juniper und strich ihr schnell über das Fell. »Ich habe gesehen, wie du sie gemieden hast. Aber das ist okay. Ich werde herausfinden, was mit ihnen los ist.« Beruhigt rollte sich Kitty auf dem Kissen zu einer Kugel zusammen und Juniper wandte sich wieder dem Fenster zu. Gerade noch rechtzeitig. Da waren ihre Eltern! Sie rannten zu den Bäumen und hielten sich dabei ihre Jacken über die Köpfe. Die gelben Lichtstrahlen von zwei Taschenlampen durchschnitten die Dunkelheit.
»Siehst du?«, sagte Juniper. »Ich hab’s gewusst!«
Juniper hatte ihre Turnschuhe bereits an. Sie rannte aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und zur Hintertür. Kitty war ihr dicht auf den Fersen. Leise öffnete Juniper die Tür und folgte ihren Eltern in den Wald, so wie Giles seinen Eltern gefolgt war.
Der Regen glättete ihr Haar und durchnässte ihre Kleider im Handumdrehen, aber davon ließ sie sich nicht aufhalten. Heimlich verfolgte sie ihre Eltern. Sie lief geduckt zwischen den Bäumen hindurch und bewegte sich so nah wie möglich am Boden, aber das wäre gar nicht nötig gewesen: Ihre Eltern drehten sich kein einziges Mal um. Durch ihr Nachtsichtfernglas konnte Juniper sehen, wie eilig sie es hatten, ihr Ziel zu erreichen.
Mit Kitty im Schlepptau fand Juniper das Loch, das sie vor ein paar Jahren für ihre persönliche Ausgrabungsstelle ausgehoben hatte – sie hatte Fossilien oder Schätze oder beides gesucht –, und ließ sich hineinfallen. Mit auf den Rand gestützten Ellbogen beobachtete sie, wie ihre Eltern durch das schlammige Dickicht marschierten. Nur die Regentropfen waren zu hören, die auf die schwarze Plane fielen, mit der das Loch ausgekleidet war.
Die Bäume schwankten unheimlich im Mondlicht, mit ausgestreckten Zweigen, die sich wie Tentakel bewegten. Alle Tiere, abgesehen von Kitty, hatten sich längst einen Unterschlupf gesucht. Juniper sah ihre treue Gefährtin an. »Das also ist es«, sagte sie.
Ihre Eltern waren nicht auf der Suche. Sie wussten genau, wo sie hinwollten. Sie liefen direkt dorthin, direkt zu
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