Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
mit seiner besten Freundin allein ist, sollte sich diese ganz spezielle Vertrautheit einfinden, um in der kurzen Zeit Gedanken oder Informationen auszutauschen, die man nicht im Beisein anderer besprechen möchte. Ich zermartere mir das Hirn, was ich sagen soll, aber mir fällt absolut nichts ein. Zum Glück erzählt Ellinor so ausführlich von dem Besuch bei ihrer immer hinfälliger werdenden Großmutter, dass ich guten Gewissens auf die Uhr schauen und mich damit entschuldigen kann, langsam mal wieder arbeiten zu müssen. Adrian kommt zurück. Ich vermeide es, ihn anzusehen, aber er ist garantiert erleichtert, als ich verschwinde, darauf könnte ich wetten. In der Tür zum Personalraum stoße ich fast mit Karim zusammen. Er breitet die Arme aus und strahlt, als er Ellinor und Adrian sieht.
»Ach, schöne Ellinor!«, ruft er. »Was für Aussichten, dass ich übermorgen ganz allein über dich bestimmen darf!«
Ellinor legt den Zeigefinger an die Lippen.
»Vorsicht!«, sagt sie. »Adrian wird unberechenbar, wenn er eifersüchtig ist!«
Den Freitag und Samstag verbringe ich in einem merkwürdigen Vakuum. Besonders der Samstag ist seltsam, denn ab dem Moment, wo ich nicht mehr zur Arbeit muss, fühle ich mich aus jeglichem Zusammenhang gerissen. Das Telefon schweigt beharrlich, nicht die kleinste SMS trudelt ein. Ich habe den Stecker vom Computer gezogen, damit ich nicht ständig davorhocke und nachschaue, ob Adrian online ist. Markus kann ich nicht anrufen, weil ich sonst Sofi und ihm Knüppel zwischen die Beine werfe, und Ellinor will ich nicht anrufen, weil es unerträglich ist, mich so falsch und mies zu fühlen, wie ich mich momentan in ihrer Gegenwart fühle. Tilde hat ihren Fredrik und Rosie … ja, Rosie, das wäre ein Idee, aber mehr als kleine Schwester und weniger als Freundin. Arman kann ich auch nicht anrufen, weil wir nicht die Art Kontakt haben. Er würde wahrscheinlich denken, dass ich mehr von ihm will, und vorschlagen, dass wir uns allein treffen, und das will ich nicht. Johan anzusprechen, der eigentlich zum inner circle gehört, kommt mir auch irgendwie komisch vor. Ihm vorzuschlagen, ohne Markus was zu unternehmen, wäre ganz seltsam.
Mir wird bewusst, dass ich mich eigentlich noch nie wirklich einsam gefühlt habe. Aber an diesem Samstag tue ich genau das.
Nachmittags statte ich Papa einen kurzen Besuch ab. Wir trinken Kaffee auf der Veranda und plaudern über Gott und die Welt. Ehe ich wieder fahre, frage ich ihn noch, ob er sein Geld schon wiederbekommen hat.
Er sieht mich verwirrt an. »Welches Geld?«
»Das Geld, das du Edwin geliehen hast, natürlich!«
»Ach so, ach ja … Nein, habe ich nicht. Aber damit hab ich auch nicht gerechnet, dass ich es so schnell wiederkriege. Das ist viel Geld, besonders für einen siebzehnjährigen Jungen, der noch zur Schule geht.«
Ich nicke nachdenklich.
Dann ist Edwin also nicht mit seinem Geldbündel hier vorbeigekommen. Ganz schön dreist, wenn man bedenkt, dass Papa nicht grad vermögend und Edwin im Gegensatz zu ihm offenbar flüssig ist. Aber ich kann ihn ja schlecht anrufen und ihm das sagen, weil ich damit zugebe, dass ich von dem Geld in seiner Jacke weiß und dass Papa ihm zwölftausend geliehen hat.
Befangen.
So fühle ich mich.
Befangen und einsam.
Und ich sehne mich nach Adrian.
Eine schmerzhafte, hartnäckig brennende Sehnsucht, die ich nicht will, die aber meinen Kopf und meinen Körper mit Bildern und Gefühlen überschwemmt, sobald ich nicht auf der Hut bin. Ich kann keine Musik hören, weil Musik Türen in meinem Innern öffnet, die ich verschlossen halten möchte. Selbst der bescheuertste Schlager, der zufällig aus einem Lautsprecher in einem Laden strömt, kann Gefühlslawinen auslösen und mir Tränen in die Augen treiben. Also fliehe ich aus der Galleria, in der ich mir nach dem Besuch bei Papa die Zeit vertreiben und mich ein bisschen ablenken wollte.
Um halb neun am Samstagabend lege ich mich ins Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und bleibe so lange liegen, bis ich endlich einschlafe, Stunden später.
In meinem Traum bin ich wegen irgendetwas angeklagt. Ich weiß nicht genau, wofür ich Rede und Antwort stehen soll, aber die Gerichtsverhandlung findet in mehreren Sälen statt, und ich muss hin und her rennen, um mitzubekommen, was gesagt wird. Manchmal, wenn ich völlig außer Atem in einem steril möblierten Sitzungssaal ankomme, ist die Frage bereits gestellt worden, und ich muss vor den Richter treten und
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