Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
dagehockt, aber ich habe nicht angerufen, habe verzichtet, ihretwegen. Aber das kann Sofi natürlich nicht wissen. Und ich habe auch nicht vor, es ihr zu erzählen.
»Ich denke darüber nach«, sage ich stattdessen.
Vormittags ist es einigermaßen ruhig im Miranda, die Gäste lösen sich in gemütlichem Tempo ab, und Sofi wirkt nicht mehr so zerstreut, seit sie das mit Markus losgeworden ist. Wir erledigen alle Arbeiten mit Zeitpuffer, dafür wird der Mittagsansturm umso heftiger. Offenbar hat die halbe Stadt beschlossen, an diesem Donnerstag bei uns die Mittagspause zu verbringen. Jedenfalls haben Sofi, ich und Karim, der gegen zwölf Uhr auftaucht, die nächsten zwei Stunden alle Hände voll zu tun. Als der größte Andrang vorüber ist, verschnaufen wir im Personalraum. Sofi und ich mit einer Latte, Karim mit einem doppelten Espresso.
»Gute Arbeit, Mädels!«, sagt Karim aufmunternd. »Wenn das mit dem offenen Wochenende läuft und mittags immer so viele Leute kommen, gibt’s demnächst eine Gehaltserhöhung, versprochen.«
»Super«, sagt Sofi und legt ihre geschwollenen Füße auf den nächsten Stuhl. »Markus und ich wollen im September vielleicht nach Paris, da kann ich jede Öre gebrauchen.«
»So schnell kann ich nichts versprechen!«, sagt Karim.
Die Türglocke schellt und Sofi seufzt laut. »O nein …«
»Ich gehe«, sage ich und stehe auf.
Sofi hat die letzten zwei Stunden hart geschuftet und Karim hat schon wieder Schmerzen in der Hüfte. Ich finde die Arbeit angenehm ablenkend. Je hektischer es ist, desto weniger Zeit habe ich zum Grübeln.
In diesem Fall geht der Schuss allerdings nach hinten los, denn als ich ins Lokal trete, stehen Ellinor und Adrian am Tresen. Ich bin so absolut unvorbereitet, sie hier zu sehen, dass ich am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht und mich im Personalraum versteckt hätte, aber ich beiße die Zähne zusammen und beherrsche mich. Begegne Adrians dunklen Augen für die Dauer einer halben Sekunde. Es war definitiv nicht seine Idee hierherzukommen, das sehe ich. Mein eigenes Entsetzen spiegelt sich in seinem Blick.
Ellinor hingegen lacht mich fröhlich und unbeschwert an. »Hallo, Emma! Wie geht’s?«
»Bestens …«, antworte ich mit wackeliger Stimme.
Es fühlt sich an, als wären meine Stimmbänder von einem Pelz überzogen, der es unmöglich macht, natürlich zu sprechen. Ellinor wirft Adrian einen Blick zu.
»Was möchtest du?«, fragt sie. »Ich habe Appetit auf was Knackiges … vielleicht das Brot mit Sprossen und Salat. Was ist da noch drauf?«
»Vollkornbrot, Rucola, Chèvre, getrocknete Tomaten, Sprossen und Gurke«, leiere ich automatisch herunter.
»Ich nehme nur einen Kaffee«, sagt Adrian verkrampft.
»Hast du keinen Hunger?«, fragt Ellinor erstaunt.
»Na ja, vielleicht ein Baguette mit Schinken und Käse«, sagt Adrian.
»Ich nehm jedenfalls das Vollkornbrot«, sagt Ellinor. »Und eine große Latte mit Haselnussgeschmack.«
Meine Hände zittern, als ich die Bestellung auf dem Tablett arrangiere. Ich muss mich zusammenreißen, um mir nichts anmerken zu lassen. Ein ganz schwacher Duft von Adrian erreicht mich hinter der Theke, so schwach, dass ich nicht genau weiß, ob ich ihn wirklich wahrnehme oder ob es nur eine sehr lebendige Erinnerung ist. Im Grunde genommen spielt das keine Rolle. Ich will nur, dass sie ihre Brote und ihren Kaffee nehmen und sich so weit wie möglich wegsetzen.
Aber Ellinor sieht sich in dem halb leeren Lokal um.
»Scheint ruhig zu sein«, sagt sie. »Magst du uns nicht kurz Gesellschaft leisten?«
»Ähm …«, stammele ich und suche verzweifelt nach einer Ausrede, um mich zu verdrücken, aber mir fällt nichts wirklich Gutes ein. »Ähm, ich muss noch Brote für den Nachmittag schmieren, heute Mittag ist unglaublich viel weggegangen, aber, na ja, fünf Minuten …«
Natürlich war mir klar, dass es schwierig werden würde, ihnen zusammen zu begegnen, aber es ist noch viel schwerer, als ich dachte. Ich weiß nicht, wo ich hingucken soll. Adrians Gestalt drängt sich massiv in mein Blickfeld, brüllt seine Anwesenheit laut hinaus. Jedes Wort, das Ellinor und ich wechseln, ist überschattet von dem, was wir getan haben, schwebt wie ein großer Raubvogel mit ausgebreiteten Schwingen über unseren Köpfen und verdunkelt alles. Ein Raubvogel mit krummem, scharfem Schnabel, bereit, uns jeden Augenblick zu attackieren. Adrian steht auf und geht auf die Toilette. Jetzt ist es fast noch schlimmer, denn wenn man
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