Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
etwas ganz anderes geht?
»Hallo, Emma!«, sagt sie. »Danke, dass du gekommen bist. Ich muss mit jemandem reden, ehe ich platze!«
Ich umarme sie und wir setzen uns auf eine Bank am Kiesweg.
»Was ist passiert?«, frage ich und schaffe es, fast normal zu klingen.
Ellinor sieht mich an. Ihre blauen Augen sind voller widerstreitender Gefühle, weit entfernt von ihrem üblichen, gelassenen Auftreten.
»Fall nicht in Ohnmacht«, sagt sie. »Ich habe heute Morgen einen Test gemacht, nachdem Adrian zur Arbeit gefahren ist. Auf dem Beipackzettel steht, dass er 99 Prozent sicher ist … Ich bin schwanger, Emma.«
Um uns herum im Videbergspark ist es nachmittäglich ruhig, der Fluss fließt so still dahin wie immer, aber in mir braut sich ein Tornado zusammen, ein Wirbelsturm, der Türen knallen lässt und Dinge mit sich reißt, der alles, was ich bisher über das Leben zu wissen glaubte, in einem heillosen Durcheinander zurücklässt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was kann ich sagen, was erwartet sie, das ich sagen soll? Meine Seele ist pechschwarz. Gibt es für jemanden wie mich überhaupt einen Platz in den niedersten Niederungen der Hölle, zwischen den Bösesten der Bösen?
»Oh …«, quetsche ich schließlich heraus.
Ellinor lächelt nervös. »Ja, das kann man wohl sagen!«
»Weiß er es schon?«
»Adrian? Nein, er weiß nichts. Du bist die Erste.«
Atmen. Ich muss atmen. Die Grundvoraussetzung, ein besserer Mensch werden zu können, ist zu atmen. Das ist die Grundvoraussetzung.
»Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich es ihm überhaupt sagen will«, sagt Ellinor, und ich starre sie vermutlich an, als wäre sie ein Ufo, das direkt neben mir gelandet ist. Denn sie beeilt sich, eine Erklärung hinterherzuschicken.
»Er war die letzten Wochen so seltsam und ich … Na ja, ich habe früher schon mal erwähnt, dass ich gerne Kinder hätte, und hyperenthusiastisch hat er darauf nicht gerade reagiert …«
Ich erinnere mich an Adrians Äußerungen an »unserem« ersten Abend, als er mir das Regal vorbeigebracht hat. Der Abend, der mit der Umarmung in meinem Flur endete. Ich balle meine Hände zu Fäusten, bis es weh tut. Reiß dich zusammen! Beherrsch dich! Ich werde ihn niemals bekommen, aus uns wird nie was werden, das weiß ich doch. Habe es die ganze Zeit gewusst.
»Das ist doch was anderes«, sage ich. »Das ist doch was ganz anderes, wenn es tatsächlich passiert, wenn da tatsächlich … ein Kind ist.«
Ellinor tippt mit den Zehen in den Kies. Die lackierten Nägel, die aus den weißen Sandaletten ragen, sind apricotfarben, Füße und Beine goldbraun. Unfreiwillig sucht mein Blick ihren flachen Bauch.
»Wie … fühlt sich das an?«
Sie zieht die Schultern hoch. »Meine Tage haben sich verzögert und … doch, irgendwie ist es schon anders, seltsam. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber man fühlt sich ein bisschen wie innerlich geschwollen. Nicht unangenehm. Nur seltsam.«
»Wie lange ist das her?«
»Ich hätte meine Tage vor zwei Wochen bekommen müssen. Zuerst dachte ich, ich hätte falsch gerechnet, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich bei Rosies Geburtstag meine letzte Regel hatte und dass ich mich deswegen nicht getraut hatte, meine weiße Hose anzuziehen. Richtig gerechnet hatte ich also. Und gestern hab ich den Schwangerschaftstest in der Apotheke gekauft.«
»Und was willst du?«, frage ich. »Das ist doch wohl das Wichtigste?«
Elinor schaut über den Fluss.
»Ich weiß es nicht«, sagt sie. »Eigentlich hatte ich vor, noch ein bisschen zu warten, andererseits hätte ich schon Lust auf ein Kind. Aber wenn Adrian nicht will, will ich auch nicht. Ich will definitiv nicht, dass er sich aus seiner üblichen Unentschlossenheit heraus darauf einlässt, um mir einen Gefallen zu tun, das wäre für keinen von uns gut. Auch nicht für das Kind.«
Der Schmerz in mir verwandelt sich in eine eigenartige Taubheit, als hätte ich eine Betäubungsspritze bekommen. Wir reden nicht über uns, das passiert nicht wirklich, das ist eine Inszenierung, um die Grenzen der Belastbarkeit auszutesten.
»Du wirst nie erfahren, was er wirklich darüber denkt, wenn du es ihm nicht erzählst«, sage ich. »Und du gibst ihm keine Chance, seine eigene Entscheidung zu treffen, aber das ist doch schließlich auch sein Kind, oder?«
Sie sieht mich verdutzt an. »Was meinst du mit oder ? Natürlich ist das sein Kind! Aber noch ist es ja kein Kind, nur ein Embryo.«
»Mit voll
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