Er ist wieder da
können. Das war jedenfalls ein viel größeres Kompliment, als ich es je für Göring (»des Führers Fesselballon«) bekommen habe.
Letzten Endes war es jenes Wissen, jene Fertigkeit, Nützliches und Sinnloses zu trennen, die mich nun dazu befähigte, ungeachtet des Verlustes eines Bormann die neuen Möglichkeiten wahrzunehmen, die mir jene Produktionsfirma bieten konnte. Es war sinnlos, dieses Problem eines amtlichen Meldewesens selbst lösen zu wollen, so übergab ich die Regelung meiner prekären Unterlagenverhältnisse jemandem, der im Umgang mit den örtlichen Behörden vermutlich wohl über die größere Wendigkeit verfügte – Sensenbrink, der sofort sagte:
»Aber natürlich können wir Ihnen das abnehmen. Sie kümmern sich um Ihr Programm, alles andere regeln wir. Was brauchen Sie?«
»Fragen Sie diese Frau Krytschwyxdings. Ich nehme an, einen Ausweis. Und nicht nur den.«
»Sie haben keinen Pass? Keinen Personalausweis? Wie gibt’s denn so was?«
»Ich habe nie einen gebraucht.«
»Waren Sie denn nie im Ausland?«
»Aber sicher. Polen, Frankreich, Ungarn …«
»Ja gut, das ist ja innerhalb der EU …«
»Oder in der Sowjetunion.«
»Und da kamen Sie ohne Pass rein?«
Ich überlegte kurz.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemand danach gefragt hätte«, antwortete ich gewissenhaft.
»Seltsam. Aber Amerika! Ich meine, Sie sind sechsundfünfzig – waren Sie nie in Amerika?«
»Ich hatte es ernstlich vor«, sagte ich indigniert, »aber ich wurde dann leider aufgehalten.«
»Also gut, wir brauchen nur Ihre Unterlagen, dann kann da sicher jemand von uns das mit den Ämtern und Versicherungen regeln.«
»Das ist das Problem. Es gibt keine Unterlagen.«
»Keine Unterlagen? Gar keine? Auch nicht bei Ihrer Freundin? Also, zu Hause?«
»Mein letztes Zuhause«, sagte ich betrübt, »es wurde ein Raub der Flammen.«
»Also – äh – ist das Ihr Ernst?«
»Haben Sie die Reichskanzlei zuletzt mal gesehen?«
Er lachte. »So schlimm?«
»Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt«, sagte ich, »es war furchtbar.«
»Na schön«, sagte Sensenbrink, »ich bin kein Experte, aber irgendwelche Unterlagen wird man schon brauchen. Wo waren Sie denn vorher gemeldet? Oder versichert?«
»Ich hatte schon immer eine gewisse Abneigung gegen Bürokratien«, sagte ich, »ich bevorzugte es, die Gesetze selbst zu gestalten.«
»Puuh«, ächzte Sensenbrink. »Also so einen Fall hatte ich noch nicht. Na ja, mal sehen, was wir hinkriegen. Aber wir brauchen natürlich in jedem Fall Ihren richtigen Namen.«
»Hitler«, sagte ich, »Adolf.«
»Hören Sie, ich habe ja wirklich Verständnis für Ihre Situation. Der Atze Schröder macht das genauso, der will ja auch abseits der Bühne seine Ruhe haben, und gerade bei Ihrem heiklen Thema ist schon klar, dass man da als Künstler durchaus vorsichtig sein sollte – aber ob die Ämter das genauso sehen?«
»Die Details interessieren mich nicht …«
»Das glaub ich gerne«, lachte Sensenbrink für mich ein wenig zu herablassend. »Sie sind mir der rechte Künstler. Aber es wäre wirklich einfacher. Sehen Sie, steuerlich ist das ja kein Problem. Das Finanzamt ist das einzige Amt, dem das wurscht ist, die besteuern notfalls auch Illegale, mit denen können Sie auch irgendwie Barzahlung vereinbaren. Und was Zahlungsabwicklungen angeht, können wir Ihnen natürlich mit der Kontoführung zur Hand gehen, wenn Ihnen das nichts ausmacht, dann wäre das mit den Banken auch zunächst nicht so wichtig. Aber Einwohnermeldebehörden oder Sozialversicherung, ich weiß wirklich nicht, ob wir das hinbekommen.«
Ich spürte, dass der Mann jetzt moralische Unterstützung brauchte. Man darf die Truppe nicht überfordern. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass der längst tot geglaubte Reichskanzler putzmunter durch das Land läuft.
»Das muss schwer für Sie sein«, sagte ich nachsichtig.
»Was?«
»Nun, Sie treffen sicher nicht oft jemanden wie mich.«
Sensenbrink lachte gleichmütig.
»Aber sicher. Das ist ja schließlich unser Job.«
Seine Gelassenheit war so überraschend, dass ich nachhaken musste: »Da gibt es noch mehr wie mich?«
»Also, Sie wissen ja wohl selbst am besten, dass es jede Menge Leute in Ihrer Branche gibt …«, sagte Sensenbrink.
»Und Sie bringen die alle in den Rundfunk?«
»Da hätten wir ja viel zu tun! Nein, wir nehmen nur die unter Vertrag, an die wir auch glauben.«
»Das ist sehr gut«, bestärkte ich ihn, »man
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