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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Schleierhaft blieb mir jedoch, was der Türke in so großer Zahl auf der Straße trieb. Dazu noch um diese Uhrzeit. Um importiertes Dienstpersonal schien es sich jedenfalls nicht zu handeln, von Eile war bei den Türken nichts zu spüren. Eher ließ ihre Art des Fortkommens eine gewisse Gemächlichkeit erahnen.
    Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Ein Läuten, wie es üblicherweise in Schulen das Ende einer Stunde oder des Unterrichtes ankündigte. Ich sah auf, tatsächlich war unweit ein Schulgebäude zu sehen. Ich beschleunigte meine Schritte und setzte mich auf eine freie Bank dem Gebäude gegenüber. Vielleicht ergab sich eine Schulpause oder sonst eine Gelegenheit, einmal in großer Zahl die Jugend zu mustern. Und in der Tat strömte eine erhebliche Menge aus dem Gebäude, allerdings war eine nähere Identifikation der Schulart völlig unmöglich. Etliche Buben konnte ich ausmachen, es schien jedoch keine gleichaltrigen Mädeln zu geben. Was aus dem Gebäude kam, war entweder im Grundschulalter oder schien bereits durchaus gebärfähig. Es mochte sein, dass die Wissenschaft einen Weg entdeckt hatte, jene verwirrenden Jahre der Pubertät zu vermeiden und vor allem die jungen Frauen sofort in ein fruchtbares Alter zu katapultieren. Der Gedanke war im Grunde naheliegend, da eine über lange Jahre der Jugend durchgeführte Abhärtung sinnvoll nur beim Manne ist. Die Spartaner des klassischen Griechenland hatten es damit nicht anders gehalten. Dafür sprach auch: Die jungen Frauen kleideten sich in jedem Fall sehr körperbetont und signalisierten eindeutig das Bestreben der Partnerwahl zur gemeinsamen Familiengründung. Allerdings waren sie, und das war wiederum verwunderlich, in den wenigsten Fällen Deutsche. Es schien sich zugleich auch um eine Schule für türkische Gastschüler zu handeln. Bereits nach wenigen Gesprächsfetzen formte sich ein erstaunliches, ja nachgerade erfreuliches Bild.
    Tatsächlich konnte ich beobachten, wie offenbar bei jenen türkischen Schülern meine Prinzipien als richtig erkannt und zu Direktiven umgesetzt worden waren. Den jungen Türken wurden ganz offensichtlich nur die einfachsten Sprachkenntnisse beigebracht. Korrekter Satzbau war kaum zu erkennen, es glich eher einem Sprachverhau, von geistigem Stacheldraht durchzogen, von mentalen Granaten zerpflügt wie die Schlachtfelder der Somme. Was übrig blieb, mochte allenfalls zur notdürftigen Verständigung reichen, aber nicht zu organisiertem Widerstand. In Ermangelung eines ausreichenden Wortschatzes wurden zudem die meisten Sätze mit ausladenden Gesten ergänzt, eine regelrechte Zeichensprache wurde angewendet gemäß Vorstellungen, wie ich sie selbst entwickelt und gewünscht hatte. Zwar für die Ukraine, für das eroberte russische Gebiet, aber es war natürlich für jede andere beherrschte Bevölkerungsgruppe genauso angemessen. Eine weitere technische Maßnahme schien obendrein dazugekommen zu sein, etwas, das ich freilich nicht hatte vorhersehen können: Jene türkischen Schüler mussten offenbar kleine Ohrstöpsel tragen, die eine Aufnahme unnötiger zusätzlicher Informationen oder Wissensbestandteile verhindern sollten. Das Prinzip war einfach und schien fast zu gut zu funktionieren – einige dieser jungen schülerartigen Gestalten warfen Blicke von einer derartigen geistigen Sparsamkeit, dass man sich kaum vorstellen konnte, welche nützliche Tätigkeit sie eines Tages für die Gesellschaft würden erfüllen mögen. Den Bürgersteig jedenfalls, wie ich wieder mit einem raschen Blick feststellen konnte, fegten weder sie noch sonst jemand.
    Als die Schüler beider Rassen meiner ansichtig wurden, ging ein freudiges Wiedererkennen über einige ihrer Gesichter. Es war ganz klar, dass die deutschstämmigen Schüler mich wohl aus dem Geschichtsunterrichte kannten, die türkischstämmigen aus den Untiefen des Fernsehapparates. Es kam, wie es kommen musste. Ich wurde wieder fälschlicherweise identifiziert als der »andere Herr Stromberger aus Switsch«, musste einige Autogramme geben und mehrere Fotos mit diversen Schülern machen lassen. Das Durcheinander war nicht übertrieben, aber doch so beträchtlich, dass ich vorübergehend den Überblick verlor und fast den unsinnigen Eindruck gewann, die deutschen Schüler sprächen denselben zerhackten Sprachsalat. Als ich aus dem Augenwinkel eine weitere verrückte Frau sah, die geradezu akribisch die einzelnen Exkrementteile ihres Hundes auflas, hielt ich den rechten

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