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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Opfer gedenken,
    die ihr Blut für unsere Sache gaben …«
    »Pardon«, sagte Kärrner plötzlich, »aber davon weiß ich ja gar nichts.«
    Mir fiel erst hier auf, dass ich offenbar geistesabwesend ein wenig zu sehr in den Standardablauf der ersten Reden nach den Blitzkriegserfolgen gerutscht war. Möglicherweise wirkte das nun etwas unangemessen. Ich überlegte, ob ich unter Umständen eine Entschuldigung oder etwas dergleichen vorbringen sollte, wurde jedoch durch eine Stimme daran gehindert.
    »Dass Sie in solch einem Moment auch daran noch denken«, meinte eine mir unbekannte Mitarbeiterin mit einem unendlich bewegten Gesichtsausdruck, »die Frau Klement aus der Lohnbuchhaltung ist ja erst letzte Woche …! Das ist so –« und dann schniefte sie gerührt in ein Taschentuch.
    »Die Frau Klement – natürlich! Wie konnte ich das vergessen«, sagte sofort Kärrner mit leicht verfärbtem Kopfe. »Verzeihung, fahren Sie bitte fort. Das ist mir sehr unangenehm.«
    Ich dankte Kärrner mit einem Nicken und suchte den Faden wieder aufzunehmen.
    »Ich selbst bin ergriffen von dem Bewusstsein
    der mir von der Vorsehung erteilten Bestimmung,
    der Firma Flashlight Freiheit und Ehre
    wiedergegeben zu haben.
    Die Schande, die vor 22 Jahren im Wald von Compiègne ihren Ausgang nahm,
    wurde an gleicher Stelle –
    Verzeihung, wurde in Berlin wieder gelöscht.
    Ich will nun schließen mit der Erwähnung
    jener Namenslosen, die nicht weniger ihre Pflicht erfüllten,
    die millionenfach Leib und Leben einsetzten,
    und zu jeder Stunde bereit waren,
    als brave deutsche Offiziere und Soldaten«
    – hier musste ich aufgrund einiger irritierter Blicke leichte Korrekturen einfügen –
    »und auch als brave deutsche Regisseure und Kameraleute und Kameraassistenten,
    als Beleuchter und Mitarbeiter der Maske
    für ihre Firma das letzte Opfer zu bringen, das ein …
    ein Regisseur und Beleuchter zu geben hat.
    Viele von ihnen liegen nun gebettet an den Seiten der Gräber,
    in denen schon ihre Väter aus dem großen –
    aus viel größeren Fernsehproduktionen ruhen.
    Sie sind Zeugen stillen Heldentums all jener«
    – und hier wurde es nun etwas schwierig –
    »die wie Frau Klement aus der Buchhaltung
    eingetreten sind für die Freiheit und Zukunft
    und ewige Größe des großdeutschen –
    der großen deutschen Firma Flashlight! Sieg –«
    Und tatsächlich scholl es mir entgegen wie weiland im Reichstage: »– Heil!«
    »Sieg –«
    »Heil!!«
    »Sieg –«
    »Heil!!!«

xxix.
    I ch hatte mich früh auf den Weg gemacht. Ich hatte mir vorgenommen, diesen Tag zu genießen. Denn es ist etwas Großes, etwas Besonderes, wenn man nach einem überwältigenden Triumphe einen stillen Ort betritt. Ein Büro, noch bevor die Betriebsamkeit des Alltags ihren Anfang nimmt, ein vom berauschten Publikum geleertes Stadion, durch das noch der Wind des Siegers weht, oder auch, sagen wir, das eroberte Paris um fünf Uhr morgens.
    Ich ging zu Fuß, ich wollte die Stadt für mich. Die Sonne erhellte bereits den klaren Frühlingsmorgen, die Luft war von angenehmer Kühle und auch noch sauberer als etwa zur Mittagszeit. In den Grünanlagen führten vernachlässigt gekleidete Berliner ihre Hunde das erste Mal an diesem Tage vor die Türe, die mir allmählich vertrauten verwirrten Frauen sammelten den üblichen Kot in ihre Tüten. Eine geistesabwesende, wohl durchaus unausgeschlafene Raucherin führte gar zu meiner stillen Erheiterung die Tüte an den Mund, um hernach die Hand mit der Zigarette zu den Hinterlassenschaften ihres wahrlich winzigen Hundes zu beugen. Sie schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen und korrigierte den Irrtum.
    Die Vögel stimmten ihren Morgengesang an, mir fiel wieder einmal auf, um wie vieles stiller eine Stadt doch ist ohne das Feuer der Flugabwehrkanonen. Überhaupt herrschte eine außerordentlich friedliche Stimmung, die Temperatur war jetzt schon sehr angenehm. Ich machte eigens einen kleinen Umweg, um am Kiosk des Zeitungskrämers vorbeizusehen, doch selbst dort herrschte noch die tiefste Stille. Ich atmete tief ein und schritt tüchtig aus, bis ich am Firmengebäude eintraf. Ich öffnete die Eingangstüre, ich stellte zufrieden fest, dass noch nicht einmal ein Portier in seiner Loge saß. Er hatte am Vorabend ein Schutzfutteral über den Telefonapparat gezogen, wie schon mehrfach konnte ich nicht umhin, darin ein weiteres Indiz seiner außerordentlich gewissenhaften Arbeitsweise erfreut zur Kenntnis zu nehmen.

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